Flüchtlinge: ÖVP will notfalls „Stopp sagen“

(c) APA/ERWIN SCHERIAU
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Die Volkspartei will sich noch schärfer beim Thema Asyl positionieren: Sozialleistungen müssten gekürzt und an Bedingungen geknüpft werden.

Bad Leonfelden. Die ersten Auswirkungen ihrer Politikpläne spürte die ÖVP am eigenen Leib: Am Donnerstag versammelten sich die schwarzen Abgeordneten und Regierungsmitglieder zu einer Klubklausur in Oberösterreich. Nur einer fehlte hier in Bad Leonfelden. Und zwar der Hauptgast des Tages: Hofburg-Kandidat Andreas Khol.

Mit Verspätung tauchte der 74-Jährige dann im Plenarsaal auf – und betrat sofort die Bühne: Grenzkontrollen hätten ihn aufgehalten, als er von Tirol in Richtung Oberösterreich unterwegs war, erzählt er: „Ich habe eine halbe Stunde gewartet. Weil die Deutschen das tun, was wir auch tun sollten: Grenzen stärker schützen“, spricht er ins ÖVP-Publikum, das begeistert klatscht.

Damit hatte Khol die perfekte Überleitung zum Motto des Tages: „Grenzen setzen“ titulierte die Volkspartei Tag eins ihrer Klausur in Oberösterreich.

Richtwert: 90.000 Menschen

Was sich die ÖVP darunter genau vorstellt, hat Parteichef Reinhold Mitterlehner bereits am Vormittag verkündet: „Wir bekennen uns zu einer Obergrenze.“ Bereits am kommenden Mittwoch, beim Asylgipfel zwischen Bund und Länder, will er eine konkrete Zahl an Flüchtlingen nennen, die das Land aufnehmen kann. Viel mehr als jene 90.000, die im Vorjahr einen Asylantrag gestellt haben, sollen es jedenfalls nicht sein. Mitterlehners Ziel ist überhaupt: „Es müssen deutlich, deutlich bis zum Nullpunkt eigentlich, weniger werden.“
Wie die Partei dies umsetzen will, ist allerdings noch immer nicht ganz klar. Mitterlehner hofft darauf, dass die Europäische Union endlich zu einer Einigung kommt. Ewig will er allerdings nicht warten: Sollte „die Obergrenze“ vor einer einheitlichen EU-Politik im Flüchtlingsbereich überschritten werden, will er im Alleingang Konsequenzen ziehen: „Die letzte Konsequenz ist, die Menschen in Österreich zu stoppen und Wartezonen einzuführen.“ Wie sich der Vizekanzler dies genau vorstellt, ist ebenfalls noch nicht klar.

Mitterlehner gibt auch selbst zu: „Rechtlich ist das noch nicht ganz ausgegoren.“ Man könne die genaue Vorgangsweise noch nicht detailliert voraussagen. In einer Notsituation werde man auch Einzelpersonen sicher nicht abweisen. Aber: „Wenn alles andere nicht funktioniert, müssen wir Stopp sagen.“

Außerdem wiederholte die ÖVP ihre Forderung, den Zugang zu Sozialleistungen für Flüchtlinge zu verschärfen: Klubchef Reinhold Lopatka will nur noch die Hälfte der Mindestsicherung als Geldleistung auszahlen lassen. Die andere Hälfte soll in Form von Sachleistungen (zum Beispiel Gutscheinen) ausgegeben werden.

Außerdem sollen diese Hilfsmittel an Bedingungen gebunden sein: Flüchtlinge, die etwa keine Deutschkurse besuchen, sollten ein Viertel ihrer Bezüge verlieren. Und: Sogenannte subsidiär Schutzberechtigte (abgelehnte Asylwerber, die nicht abgeschoben werden können) sollen keine Mindestsicherung, sondern nur die Grundversorgung für Asylwerber erhalten.

Die ÖVP hofft nun darauf, sich in der kommenden Woche mit dem Koalitionspartner einigen zu können. Doch der Wahlkampf um die Hofburg dürfte die Stimmung zwischen Rot und Schwarz nicht unbedingt verbessern: Lopatka griff den (voraussichtlichen) SPÖ-Kandidaten Rudolf Hundstorfer schon am Donnerstag an: „Er ist zwar ein charmanter Politiker. Aber in der Zeit, in der wir leben, ist das zu wenig.“

„Charity Begins at Home“

Khol nutzte seinen Auftritt ebenfalls, um sich von der SPÖ abzugrenzen. Vor allem eben auch, was die Flüchtlingsfrage betrifft: „Ich bin ein Freund der Nächstenliebe. Sie beginnt aber im eigenen Haus. Sie darf keine Fernstenliebe werden“, rief er in Richtung Publikum. Und weiter: „Charity begins at home – wir müssen zuerst auf unsere Leut' schauen.“ Als Präsident wolle er jedenfalls die Ängste der Bevölkerung ernst nehmen: Man müsse „den Österreichern die Sicherheit geben, dass ihr Leben intakt, in Ordnung weitergeht“.

Eine ähnliche Linie in Asylfragen dürften auch Konservative in Deutschland vertreten: In der CDU/CSU-Fraktion des Bundestags kursiert eine Unterschriftenliste für eine striktere Asylpolitik und erhöht den Druck auf Kanzlerin Angela Merkel. Es könnten also noch strengere Grenzkontrollen kommen. Khol dürfte das laut eigenen Aussagen freuen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2016)

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