SPÖ: Sanfter Wandel, harte Rhetorik bei Asyl

Auch im Winter sind Flüchtlinge auf dem Weg in Richtung Norden: Hier marschieren Schutzsuchende von Mazedonien nach Serbien.
Auch im Winter sind Flüchtlinge auf dem Weg in Richtung Norden: Hier marschieren Schutzsuchende von Mazedonien nach Serbien.(c) APA/AFP/DIMITAR DILKOFF
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Am Mittwoch treffen Bund, Länder und Gemeinden zu einem Asylgipfel zusammen. Trotz verschärfter Rhetorik ist die SPÖ-Linie von den Plänen der ÖVP noch entfernt.

Wien. So viele internationale Reaktionen ist Werner Faymann wohl nicht gewohnt: „Österreichs Kanzler verkündet: ,Setzen Schengen aus‘“, titelte die italienische Tageszeitung „La Repubblica“. Auch Ungarns Medien berichteten am Sonntag über die Ereignisse in Wien.

Ursprung der Aufregung: Ein Interview in der Zeitung „Österreich“. Faymann kündigte laut dem Medium nicht nur verschärfte Grenzkontrollen an. Sondern auch, dass die Schengen-Regeln „temporär außer Kraft gesetzt“ werden.

Gleichzeitig meldete sich auch Wiens Bürgermeister, Michael Häupl, via „Krone“ zu Wort: „Wenn die europäischen Maßnahmen nicht funktionieren, dann müssen auch wir eine tatsächliche Grenzsicherung machen.“ Und: „Die Grenze ist dann erreicht, wenn wir den Leuten nicht mehr helfen können.“

Ändert die SPÖ ihre Linie? Jein

Was ist an diesem Wochenende geschehen? Gibt es plötzlich einen Schwenk in der Asylpolitik der SPÖ? Die Antwort muss wohl lauten: Jein.
Denn was stimmt, ist: Die Sozialdemokraten äußern sich in ihrer Tonalität deutlich schärfer in dieser Frage als noch vor einigen Monaten – das merkt man etwa am Beispiel des Wiener Bürgermeisters (siehe unten stehende Zitate). In einigen Punkten will die SPÖ auch strikter die bisherigen Gesetze umsetzen. Doch von einem völligen Richtungswechsel ist man in der Sozialdemokratie noch entfernt.

Kontrollen seit September

Etwa bei der angeblichen Ankündigung, die Schengen-Regeln temporär außer Kraft zu setzen: Tatsache ist, dass bereits seit Mitte September an der Grenze kontrolliert wird. Österreich orientierte sich damals an der deutschen Vorgangsweise und meldete der EU-Kommission die Wiedereinführung von befristeten Kontrollen. Das ist – in Ausnahmefällen – Schengen-konform.

Vier Mal wurde bisher bereits der Zeitraum der Kontrollen verlängert. Und auch in Zukunft wird man den rechtlichen Spielraum nutzen: Am 15. Februar läuft die nächste Frist aus, dann will man laut Innenministerium wieder um drei Monate verlängern. Nach dem Schengen-Kodex können die Kontrollen sogar bis zu zwei Jahre laufen.

Neu ist allerdings, dass die SPÖ strikter bei diesen Kontrollen vorgehen will: Im Herbst, als Tausende von Menschen über die Balkanroute durch Österreich weiter nach Norden gelangen wollten, prüften die Behörden in Spielfeld und Nickelsdorf an der Grenze meist keine Einzelpersonen. Es sei denn, sie wollten in Österreich einen Antrag auf Asyl stellen. Nun will Faymann bereits an der Grenze prüfen lassen, ob die Person ein Recht auf Asyl hat oder nicht. Bereits in der vergangenen Woche beauftragte er den Verfassungsdienst und betroffene Ministerien, einen entsprechenden Plan zu entwickeln.

Außerdem stimmte Faymann bereits vor Wochen den Plänen der ÖVP zu, den Grenzübergang in Spielfeld umzubauen – bzw. einen Minigrenzzaun zu Slowenien zu errichten. Ende der Woche soll das sogenannte Leitsystem, das eine bessere Überprüfung der Ankommenden ermöglicht, fertiggestellt werden. Auch das könnte den Plänen des Kanzlers zugutekommen.

Morgen, Mittwoch, werden jedenfalls SPÖ und ÖVP gemeinsam mit Ländern und Gemeinden zu einem Asylgipfel zusammenkommen und diese Ideen besprechen. Aber nicht nur: Denn auch die ÖVP hat einige Pläne, die sie dem Koalitionspartner vorlegen will. Einer davon ist hinlänglich bekannt: Vizekanzler Reinhold Mitterlehner will sich mit der SPÖ auf eine Obergrenze für Flüchtlinge einigen. Orientieren sollte sich das Land dabei an der Anzahl der Quartiere. Die SPÖ will sich aber auch weiterhin nicht auf eine solche Debatte einlassen – vor allem nicht auf eine fixe Zahl.

ÖVP: Wartezonen möglich

Ein anderer Vorschlag von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ist konsensfähiger: Flüchtlinge, die weder nach Deutschland reisen noch in Österreich um Asyl ansuchen wollen, sollen abgewiesen werden. Das sei rechtlich gedeckt.

Was mit den Betroffenen passieren soll, ist allerdings noch unklar: In den meisten Fällen sollen sie wohl den slowenischen Behörden übergeben werden. In der ÖVP denkt man aber auch über „Wartezonen“ nach, in denen die Menschen aufgehalten werden sollen. Mitterlehner gab zwar bereits zu: „Das ist rechtlich noch nicht ausgegoren.“ Am Mittwoch könnten allerdings genauere Pläne vorgelegt werden. Stimmt die SPÖ hier zu, wäre der Schwenk in der Asylpolitik wohl tatsächlich vollzogen. (ib)

Auf einen Blick

Asylgipfel. Am Mittwoch findet ein Asylgipfel im Kanzleramt statt: Die Regierung wird sich mit den Landeshauptleuten, Flüchtlingskoordinator Christian Konrad, Gemeindebund-Chef Helmut Mödlhammer und Städtebund-Präsident-Generalsekretär Thomas Weninger zusammensetzen. Das Ziel: Die Flüchtlingszahl „deutlich zu reduzieren“, heißt es aus dem Kanzleramt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2016)

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