Asyldebatte in der SPÖ: Es brodelt weiter in Wien

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LANDESPARTEIVORSTAND DER WIENER SP�: H�UPL (SP�)(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Häupl hat den Asylstreit beendet, hinter den Kulissen geht er weiter – weshalb nun kein rotes Positionspapier beschlossen wurde.

Wien. „Es gibt in der Wiener SPÖ keine Meinungsverschiedenheiten mehr.“ Mit diesen Worten hatte der Wiener SPÖ-Chef, Michael Häupl, die parteiinterne Diskussion nach einer Vorstandstagung am Wiener Kahlenberg für beendet erklärt – nachdem die rote Frauenriege rund um Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely das Ergebnis des Asylgipfels, bei dem Häupl anwesend war, massiv kritisiert hatte. Woraufhin wiederum (nicht nur) die Parteichefs von den großen, bevölkerungsreichen Wiener Bezirken sich auf die rote Frauenriege einschossen.

Häupl hat ein Machtwort gesprochen, das übersetzt bedeutet: Die Wiener Genossen mögen ihre Meinungsverschiedenheiten nicht mehr in der Öffentlichkeit austragen. Denn die Tagung zum konfliktreichen Asylthema ist nicht so verlaufen, wie der Wiener Bürgermeister vermitteln möchte. „Und sie ist nicht zu Ende“, erklärt ein SPÖ-Spitzenvertreter der „Presse“. Darauf hatte am Dienstag nicht nur die mehrfache Verschiebung der Präsentation der gemeinsamen Asyllinie hingedeutet: „Eigentlich hätte es ein Positionspapier zum Thema Asyl geben sollen. Dazu ist es nicht gekommen“, ist in Sitzungskreisen zu hören. Ein Grund: „Manche wollte sogar den Begriff Richtwert nicht in dem Papier haben.“

Kampf auch gegen Häupls „Richtwert“

„Es sind die üblichen Verdächtigen, die gegen den Begriff Richtwert sind“, formuliert es ein Sitzungsteilnehmer. Und spielt damit auf die rote Frauenriege rund um Sonja Wehsely, Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger und Finanzstadträtin Renate Brauner an.

Über die Sitzung selbst heißt es: „Die Diskussion war sehr kontroversiell, aber trotzdem überraschend friedlich.“ Es habe keine persönlichen bzw. untergriffigen Wortmeldungen gegeben, allerdings seien die Standpunkte verhärtet: Die Fraktion rund um die SPÖ-Stadträtinnen wollte nichts von Richtwerten oder gar Obergrenzen hören. Vertreter der roten Jugendorganisationen zitierten mehrfach Ex-Kanzler Franz Vranitzky, der zu Beschränkungen (Obergrenzen) gemeint hatte: „Es ist Rechtsbruch oder Wortbruch.“

Dagegen fordern (nicht nur) Vertreter der großen, einwohnerstarken Bezirke Maßnahmen bzw. „mehr Realitätssinn ein“, wie es ein Teilnehmer ausgedrückt hat. Diese Fraktion hat die Aussagen Häupls gelobt, dass Wien nicht alle Flüchtlinge aufnehmen kann, die nach Europa kommen.

„Der Bürgermeister hat wegen dieser Unterschiede, die nicht aufzulösen waren, nach einer gewissen Zeit über die geplante gemeinsame Asylerklärung gesagt: ,Dann beschließen wir heute nichts‘“, ist zu hören. „Bevor er zur Pressekonferenz gegangen ist, hat er noch zu uns gemeint: ,Aber ich hoffe, wir sind uns wenigstens bei den Worten Haltung und Ordnung einig.‘“ Alle hätten genickt, Häupl habe danach die angebliche rote Einigkeit unter dem Motto „Haltung und Ordnung“ präsentiert.

Kritik auch an Faymann

Deshalb habe es keine offizielle schriftliche Erklärung, kein Dokument gegeben – weil das nicht ausdiskutiert sei, wird in SPÖ-Kreisen zusammengefasst. Doch Häupl hat erreicht, was für ihn (in der derzeitigen Situation) am wichtigsten ist: Bei den Delegierten ist angekommen, dass es ab sofort keine parteischädigende öffentliche Diskussion über das hoch emotionale Asylthema gibt. Die Partei solle ab sofort nur noch intern diskutieren. Ein Sitzungsteilnehmer beschreibt das mit einem Satz, den Häupl gern formuliert: „In einer Familie streitet man nicht am Balkon, sondern im Wohnzimmer.“

Eine gemeinsame schriftliche Erklärung zu beschließen, also eine Art rote Grundsatzerklärung zur Asylpolitik, war auch deshalb kaum möglich, weil es zwar ein Papier dazu gab, dieses war aber den meisten Sitzungsteilnehmern unbekannt. „Daher kann man nicht etwas beschließen, was die meisten nicht kennen“, meint ein roter Spitzenmann.

Nebenbei: Rosen wurden Neo-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil gestreut, der als Polizeichef im Burgenland die Betreuung der Flüchtlinge organisiert hatte. Er versuchte sich nach „Presse“-Informationen als Mediator zwischen den Flügeln und habe zu der Obergrenze- bzw. Richtwert-Diskussion intern gemeint: „Man hätte nur von Planungsgrößen reden sollen. Das wäre vernünftiger gewesen.“

Dass die Emotionen nicht hochgegangen sind, ist laut SPÖ-Kreisen auch Flüchtlingskoordinator Peter Hacker zu verdanken. „Er hat nüchtern Zahlen präsentiert. Beispielsweise, dass Wien jeden Flüchtling kennt und alle seine Daten hat, es also kein Chaos gibt“, so ein Genosse. Das Fazit: Wien sei sehr gut, es sei nur ein Versagen von Innenministerin und Außenminister – weil Rückführungen bei negativen Asylbescheiden nicht funktionieren, ist zu hören, der gemeinsame Außenfeind habe die Reihen vorerst geschlossen. Allerdings hat es auch dazu geführt, dass viele Wiener Genossen postwendend Unmut über Bundeskanzler Werner Faymann äußern: „Er setzt der ÖVP einfach zu wenig entgegen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2016)

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