Studie. Bei der Invaliditätspensionen zeigen sich je nach Bundesland Unterschiede. Bei Frauen sind psychische Erkrankungen häufiger der Grund für die Invaliditätspension.
Wien. In einem sind sich SPÖ und ÖVP vor dem Pensionsgipfel am 29. Februar einig: Speziell bei Invaliditätspensionen und Rehabilitationsgeld wegen psychischer Erkrankungen muss es Verbesserungen geben. Das Institut für Höhere Studien (IHS) lieferte mit einer Studie dazu am Montag interessantes Datenmaterial. In Österreich gibt es signifikante regionale Unterschiede bei vorzeitigen Pensionierungen wegen psychischer Erkrankungen.
Die Steiermark ist bei einem Bundesländervergleich bei dieser Form der Invaliditätspension Spitzenreiter. Aber auch Kärntner gehen überdurchschnittlich oft wegen psychischer Erkrankungen vorzeitig in Pension.
• Zu- und Abnahme in Bundesländern: Die vom IHS-Experten Thomas Czypionka vorlegten Zahlen zeigen einen deutlichen Anstieg der Zahl von Invaliditätspensionen wegen psychischer Gründe wie Depression oder Angststörungen in der Steiermark und Kärnten (siehe Grafik). Er führt das zumindest auf einen schwachen Zusammenhang mit der soziodemografischen Situation, einer im Ländervergleich schlechteren wirtschaftlichen Lage zurück. Steirer sind demnach nicht umso schwerer krank, aber die triste wirtschaftliche Lage verstärkt den Willen zur Invaliditätspension. In der Steiermark, Kärnten, Oberösterreich und im Burgenland lag die Zahl über dem Durchschnitt, während etwa in Wien oder Salzburg leichte Rückgänge verzeichnet wurden. Bei Rehabgeld, das seit 2014 Personen unter 50 Jahren statt der Invaliditätspension gewährt wird, ist der Unterschied je nach Bundesland sogar noch größer. In der Steiermark erhalten Frauen wegen psychischer Erkrankungen fast fünfmal so häufig Rehabgeld als wegen anderer Krankheitsgründe, Männer 3,8-mal so oft.
• Viel mehr Frauen betroffen: Frauen gehen nicht nur häufiger wegen psychischer Erkrankungen in Invaliditätspension als Männer (46 Prozent gegenüber 26 Prozent). Sie gehen auch früher als Männer (Frauen im Durchschnitt mit 52,7 Jahren, Männer mit 55,2 Jahren). Der Andrang steigt: 2015 lag der Anteil der Frauen mit psychischen Erkrankungen bei den Beziehern befristeter Invaliditätspensionen inklusive Rehabgeld bei 69 Prozent, bei Männern bei 57 Prozent.
• Signifikant mehr Ältere: Der Vergleich mit der Schweiz und Dänemark brachte ein anderes Phänomen zutage. In Österreich ist die Gruppe der 55- bis 64-Jährigen merkbar häufiger in Invaliditätspension als die gleiche Altersgruppe in Dänemark oder der Schweiz. Das gilt als Indiz dafür, dass die krankheitsbedingte Pension als Instrument zur vorzeitigen Pensionierung genützt wird. In Österreich beträgt das Verhältnis der älteren zu den jüngeren Beziehern einer Invaliditätspension 13 zu eins, in den Vergleichsstaaten drei zu eins.
• Gründe: Als Ursachen für den Anstieg von Invaliditätspensionen aus psychischen Gründen nennt das IHS unter anderem: Maßnahmen zur Prävention setzen in Österreich zu spät an; die Zunahme personenbezogener Dienstleistungsberufe; erhöhte private (Doppel-)Belastungen für Frauen im Beruf und Haushalt; aber auch ein gesteigertes Bewusstsein und eine Enttabuisierung psychischer Erkrankungen.
• Schwächen und Gegenmaßnahmen: In Österreich setzen Aktivitäten zur Prävention zu spät ein, speziell in Kleinbetrieben sei das vom Sozialministerium propagierte Programm Fit2work zu wenig bekannt; Invaliditätspensionen gelten als billiger als Reintegrationsprogramme. Es fehlt vielfach aussagekräftiges Datenmaterial. Czypionka vermisst besonders die in anderen Ländern vorhandene Möglichkeit des Teilzeitkrankenstands. Gerade bei psychischen Erkrankungen sei (Teilzeit-)Arbeit für den Selbstwert und die Strukturierung des Tages der Betroffenen wichtig. (ett)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2016)