Integration: Kurz-Kurs gegen falsche Toleranz

Austrian Foreign Minister Kurz addresses a news conference in Vienna
Austrian Foreign Minister Kurz addresses a news conference in Vienna(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Der Außenminister rennt mit Werte- und Deutschkursen für Flüchtlinge bei schwarzen Lehrern offene Türen ein. Auch Nadelstiche gegen die Bildungsministerin kommen gut an.

Linz. Es hätte des Hinweises auf seine positiven Erfahrungen mit der Schule und darauf, dass seine Mutter auch Lehrerin sei, die oft in der Nacht Verbesserungen gemacht habe, gar nicht bedurft. Sebastian Kurz, Außen- und Integrationsminister, hatte schon vor seiner persönlichen Note am Ende des halbstündigen Vortrages die mehr als 1000 Lehrervertreter und Pädagoginnen am Donnerstag beim Bundestag der Lehrer an Höheren Schulen im Oberbank-Forum in Linz längst im Sack. Das zeigte der donnernde Applaus.

Kein Wunder, denn das Credo des ÖVP-Politikers, der im eleganten dunklen Anzug mit weißem Hemd ohne Krawatte einem Modekatalog entstiegen sein könnte, wird hier gern gehört: Deutschlernen in Crashkursen für Migranten- und Flüchtlingskinder vor Schuleintritt. „Das Wichtigste ist der schnelle Spracherwerb“, propagierte Kurz.

Lehrer sind geduldige Zuhörer, bisweilen ist zustimmendes Nicken zu sehen, manche schwärmen von der Redegewandtheit des schwarzen Jungministers. Der braucht nicht einmal eine rhetorische Glanzleistung hinzulegen, es reicht schon die Darlegung, warum der gemeinsame Unterricht ohne Deutschkenntnisse nachteilig sei. Dass Kurz noch Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), ohne deren Namen auch nur einmal auszusprechen, aus der Ferne ein paar Nadelstiche verpasst, wird in diesem Ambiente christlich-sozialer Lehrer besonders dankbar aufgenommen. Ein Vorbereitungsjahr oder Frühförderung zu erhalten, sei besser. Kurz verwahrt sich auch gegen Vorwürfe: Das sei „keine Ghettoklasse“, wie das auch die Bildungsministerin zu Beginn beklagt habe. Es sei besser für jene Kinder, die kein Wort Deutsch verstünden, als im Unterricht einfach in der letzten Reihe zu sitzen.

Gesinnungsterror?

Der Integrationsminister erntet auch volles Verständnis hinsichtlich seines Eintretens für Wertekurse für Zuwanderer und Flüchtlinge, obwohl die Ereignisse in Köln, wo es in der Silvesternacht zu Übergriffen männlicher Migranten gekommen ist, auch in Österreich die Diskussion darüber verändert hätten. Information über die Gleichstellung von Frau und Mann oder die Religionsfreiheit – „ich glaube nicht, dass das Gesinnungsterror ist“, gibt sich der Außen- und Integrationsminister überzeugt. Vielmehr dürfe man „keine falsch verstandene Toleranz“ an den Tag legen. Die Lehrer hätten jedenfalls bei Integration eine große Verantwortung, während diese zugleich das Gefühl hätten, „dass sie von ihrem zuständigen Ministerium alleingelassen werden“. Eingangs hat er, ganz weit gereister Außenminister, noch die Haltung Österreichs gegenüber Griechenland verteidigt: Man werde sich „schleunigst vom Durchwinken hin nach Mitteleuropa verabschieden müssen“.

Der Lehrergewerkschafter Gerhard Riegler ist später am Podium ganz angetan: Es habe eine Zeit gegeben, in der man Gefahr gelaufen sei, mit Forderungen nach dem raschen Erlernen von Deutsch der Ausländerfeindlichkeit geziehen zu werden. Er habe „eine Wut“ in sich, dass jene, die Lösungen dieses Problems verschleppt haben, „noch immer den Ton angeben“.

Dagegen hat es beim Bundeslehrertag von den oberösterreichischen Landespolitikern schon zu Beginn jede Menge verbaler Streicheleinheiten gegeben. Das gipfelt in Worten von Bildungslandesrat Thomas Stelzer (ÖVP): „Wir sind von der Interessenvereinigung ,We like teachers!‘“

Beim schwarzen Bundeslehrertag ist also Kurz unbestrittener Star des Tages. Der Bund Sozialdemokratischer Akademiker (BSA) hält gleichzeitig nur einen Kilometer entfernt an der Linzer Landstraße die rote Parallelveranstaltung ab. Auch dort gibt es einen Stargast. Es ist aber nicht Gesinnungsgenossin Bildungsministerin Heinisch-Hosek, sondern der Topphysiker Werner Gruber, den auch TV-Auftritte zum Wissenschaftsstar haben werden lassen.

AUF EINEN BLICK

Lehrertag in Linz.Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) betonte am Donnerstag bei einem Auftritt vor 1000 ÖVP-Lehrern, dass die Mittel für die Frühförderung in Deutsch auf 30 Millionen Euro verdreifacht wurden. 72 Millionen Euro stellte die Bundesregierung wegen des Flüchtlingszustroms nach Österreich zusätzlich für Integrationsmaßnahmen bereit, aufgeteilt auf die Ministerien für Inneres, Integration, Soziales und Bildung, wobei auf das Unterrichtsressort allein ein Drittel, nämlich 24 Millionen Euro, entfällt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2016)

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