Experten: Faymann hat "zusätzliche Front aufgemacht"

Kanzler Werner Faymann in der ORF-Sendung ''Im Zentrum''
Kanzler Werner Faymann in der ORF-Sendung ''Im Zentrum''ORF/Milenko Badzic
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Der Kanzler hätte bei seinem Auftritt in der ORF-Sendung "Im Zentrum" die Koalition mit der ÖVP loben und "den Staatsmann hervorkehren" sollen, meinen Politikberater.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat bei seinem Auftritt in der ORF-Sendung "Im Zentrum" am Sonntagabend eine Chance vergeben, die Zusammenarbeit in der Koalition hervorzuheben. Dieser Meinung sind Politikberater Thomas Hofer und OGM-Chef Wolfgang Bachmayer. Laut Bachmayer sind auch Faymanns Aussagen zu dessen Meinungsschwenk zu hinterfragen.

Für Politikberater Hofer hat sich Faymann mit seinem Auftritt eine "zusätzliche Front aufgemacht". Anstatt die gute Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner ÖVP in der Flüchtlingsfrage zu betonen, habe er viel eher versucht, den Richtungsschwenk der Bundesregierung allein für sich zu reklamieren. Laut Hofer hätte Faymann nichts vergeben, wenn er die Gemeinsamkeit mit der ÖVP hervorgehoben hätte. "Jetzt ist die Einladung an die ÖVP da", zu sagen, dass sie es war, die das schon immer gesagt hat, so der Politikberater am Montag. Und mit dieser Positionierung habe es sich der Regierungschef nicht einfacher gemacht.

"Faymann hätte Unterschiede zu FPÖ aufzeigen sollen"

Hofer fehlte bei Faymanns Auftritt ein Konzept für die nächsten Jahre, wohin man in Europa will: "Da gab es wenige Positivpunkte oder Abgrenzungen von der FPÖ. Das wäre eine Chance gewesen, die Unterschiede zwischen Bundesregierung und FPÖ aufzuzeigen." Anstelle einer offensiven Vorgangsweise gegen die FPÖ, habe er eine solche gegen die ÖVP betrieben. Dabei habe es zuletzt eine gemeinsame Vorgangsweise in der Flüchtlingspolitik gegeben und damit auch eine Klimaverbesserung in der öffentlichen Meinung erreicht. Hätte Faymann die Zusammenarbeit gelobt und "den Staatsmann hervorkehrt", hätte ihm das auch als Chef der Regierung genützt. Innerkoalitionär habe er damit eine Chance vergeben, meinte Hofer.

Der Kanzler sei bei dem im Vorfeld vom Koalitionspartner scharf kritisierten Gespräch "gut vorbereitet gewesen" und habe "versucht, entschlossen zu wirken sowie als jemand zu wirken, der die Dinge fest im Griff hat", teilweise sei ihm dies auch gelungen, erklärte Bachmayer. Bezüglich seiner Aussagen stellt sich für ihn jedoch die Frage der Glaubwürdigkeit: "Er hat immer wieder die Schuld bei anderen gesehen, vor allem um damit der Frage auszuweichen, was er und die Regierung und er als Chef der Regierung verabsäumt haben."

Zu hinterfragen sei die Glaubwürdigkeit auch bei Faymanns Aussagen zu dessen "sehr deutlichen Meinungsschwenk" in der Flüchtlingspolitik. Der Bundeskanzler habe versucht darzustellen, dass dieser von ihm ausgegangen sei und er damit eine Wende in Europa eingeläutet habe. "Das halte ich für etwas übertrieben und wenig glaubwürdig", so Bachmayer. Auch er geht davon aus, dass zwischen den Koalitionsparteien der Wettbewerb darüber, wessen Handschrift diese Regierungslinie trägt, weitergeführt wird.

"Nur 15 Prozent der Seher glauben an europäische Lösung"

Unique Research hat im Auftrag der SPÖ im Anschluss an die ORF-Sendung die Seher zur Flüchtlingskrise und zur Performance von Faymann befragt. Meinungsforscher Peter Hajek erklärte dazu: "Die Linie der Bundesregierung findet breite Unterstützung. Das Schließen der Balkanroute wird als richtig empfunden, nur 15 Prozent der Seher glauben an eine europäische Lösung."

Laut der Umfrage beurteilen insgesamt 64 Prozent der Seher die Vertretung Österreichs Interessen durch Faymann positiv. Insgesamt 61 Prozent attestierten dem Kanzler einen positiven Eindruck, nachdem was sie im Interview gehört haben. An der Befragung haben rund 300 Seher aus einer repräsentativen Stichprobe teilgenommen. Bei knapp einem Viertel der befragten Seher handelte es sich um SPÖ-Wähler, bei 19 Prozent um FPÖ-Wähler. ÖVP-Wähler (zwölf Prozent) dürften der Sendung eher fern geblieben sein.

(APA)

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