Transitflüchtlinge: Staat will Spenden von der Förderung abziehen

Ministerin Mikl-Leitner im Clinch mit NGOs.
Ministerin Mikl-Leitner im Clinch mit NGOs.(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Hilfsorganisationen kritisieren „Griff in die Taschen der Spender“, das Innenministerium beruft sich hingegen auf die geltende Förderrichtlinie.

Wien. Hunderttausende Transitflüchtlinge sind im Vorjahr auf dem Weg nach Deutschland von Hilfsorganisationen betreut worden. Die Finanzierung der Hilfe sorgt jetzt für einen Konflikt zwischen den NGOs und dem Innenministerium. Denn dieses bezahlt zwar die Hilfsleistungen, will aber jene Spenden abziehen, die die Organisationen für diesen Zweck erhalten haben. In einem Brief wurden zwölf Organisationen – von der Caritas bis zur Volkshilfe – aufgefordert, ihre Spenden bekannt zu geben.

Dieser heftig kritisierte Schritt kann für die Hilfsorganisationen allerdings nicht ganz unerwartet gekommen sein. Denn die Abrechnung der Hilfsleistungen wird aufgrund einer Sonderrichtlinie des Innenministeriums abgewickelt, der die Hilfsorganisationen bereits im Oktober des Vorjahres zugestimmt haben und die unter Punkt sechs eindeutig festhält, dass nur jene Leistungen förderbar sind, „die nicht durch Zuwendungen (insbesondere Spenden) abgedeckt sind“. Abgegolten wird übrigens der gesamte Aufwand für die Flüchtlingsbetreuung, inklusive der anteiligen Personal- und Infrastrukturkosten der Hilfsorganisation. Für das Vorjahr wurden dafür 35 Millionen Euro ausbezahlt, für heuer liegen noch keine Zahlen vor.

Vier Millionen Arbeitsstunden

Bei den Hilfsorganisationen argumentiert man, dass die Flüchtlingsbetreuung „kein Akt der Mildtätigkeit, sondern zuallererst Aufgabe und Verpflichtung des Staates“ sei, so Caritas-Geschäftsführer Klaus Schwertner. Ein Griff in die Taschen der Spender sei daher nicht zulässig. Allerdings geht es dabei eher ums Prinzip – große finanzielle Auswirkungen hätte das, zumindest bei der Caritas, nicht. Denn nur ein kleiner Anteil der Spenden sei explizit den Transitquartieren gewidmet worden. Spenden für die Flüchtlingshilfe würden für viele andere Aufgaben verwendet, etwa für Integrationsmaßnahmen oder für Hilfe in den Krisenregionen. Für die Transitflüchtlinge habe es vor allem Sachspenden und vier Millionen Arbeitsstunden von freiwilligen Helfern gegeben. Und das sei selbstverständlich nicht an das Innenministerium weiterverrechnet worden.

Bei der Diskussion geht es daher vor allem um künftige Verträge. Die Sonderrichtlinie läuft mit 31. März aus, über eine Nachfolgeregelung wird gerade verhandelt. Und in dieser solle nicht mehr auf die Spenden zugegriffen werden, fordern die Hilfsorganisationen. „Wir sind da in guten Gesprächen mit dem Innenministerium“, sagt Schwertner. Momentan spiele das Thema Transitflüchtlinge keine große Rolle, man müsse aber auf künftige Entwicklungen vorbereitet sein.

Auch politisch sorgte der Brief des Innenministeriums für Aufregung. Für die Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig, ist die Aktion „an Bösartigkeit nicht zu überbieten. Das ist ein Anschlag auf die Hilfsbereitschaft der noch vor wenigen Monaten so viel gelobten Zivilgesellschaft“. Sie forderte Kanzler und Vizekanzler auf, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner „dringend zur Besinnung“ zu bringen. „Ihr Agieren führt den Spendengedanken ad absurdum.“ Die Neos sprachen von „Zechprellerei“ und forderten Innen- und Finanzministerium auf, ihre Ankündigung zurückzunehmen. „Wenn diese Vorgehensweise salonfähig wird, bedeutet das das Ende jeglichen zivilen Engagements“, meinte Menschenrechtssprecher Niki Scherak.

„Goldene Nase verdient“

Anders der Standpunkt der FPÖ – die Spenden von der Förderung abzuziehen sei „im Sinn des Steuerzahlers“, sagte der Abgeordnete Gernot Darmann. Er forderte auch, dass die Abwicklung des Asylwesens wieder zur Gänze vom Innenministerium als hoheitliche Aufgabe wahrgenommen werde. Denn: „Die Asylindustrie verdient sich mit den Asylwerbern auf Kosten der Steuerzahler eine goldene Nase.“

Im Finanzministerium sieht man keinen Grund, von der Anrechnung der Spenden abzugehen. „Das ist eine bestehende Vereinbarung“, sagte eine Sprecherin von Finanzminister Hans Jörg Schelling. „Unser Part ist der sorgsame Umgang mit Steuergeld.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2016)

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