Bei Asyl: Kürzung des Sozialgeldes möglich

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Eine niedrigere Mindestsicherung hängt von der Begründung ab, auch eine Deckelung für alle wäre zulässig.

Wien. Das Gutachten des Wiener Arbeits- und Sozialrechtlers Robert Rebhahn zu Sozialleistungen für Flüchtlinge war mit ähnlicher Spannung erwartet worden wie die Expertisen zur Flüchtlingsobergrenze. Während die rot-schwarze Regierung aber beim Flüchtlingslimit an einem Strang zieht (siehe Bericht, Seite 1), ist das bei dem 150 Seiten starken Papier über eine Differenzierung bei Sozialleistungen zwischen Ausländern mit Asylstatus und Österreichern keineswegs so.

Das liegt an einem Kernpunkt des Gutachtens, das der „Presse“ zur Gänze vorliegt. Darin heißt es klar, eine Aufspaltung in einer niedrigere Grundleistung und eine Zusatzleistung sei grundsätzlich möglich. Der Experte schreibt aber, das hänge von der „Rechtfertigung der Benachteiligung“ für Menschen mit Asylstatus ab. Weiters schränkt er ein, selbst dann gebe es keine Garantie, dass eine derartige Lösung im Fall einer Anfechtung vor dem Europäischen Gerichtshof halte: Dies könne, „wie meist in solchen Fällen, nicht mit Sicherheit beurteilt werden“, wird im Gutachten festgestellt.

Sondersituation oder nicht?

Die Folge: SPÖ und ÖVP legen die Ergebnisse des Gutachtens nun völlig unterschiedlich aus und setzen damit den bereits monatelang mit Eifer geführten Konflikt nahtlos fort. Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) interpretierte das Konvolut sofort so, dass eine Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte, wie sie die ÖVP fordert, nicht zulässig sei. Sein härtester Widersacher in dieser Frage auf Bundesebene, ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka, kommt zu genau gegenteiligem Schluss. Demnach sei eine Differenzierung der Höhe der Leistung unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Als eine mögliche Begründung erachtet die ÖVP die besondere Belastung Österreichs, wenn Tausende Asylberechtigte künftig die Mindestsicherung in Anspruch nehmen könnten.

Die ÖVP sieht sich durch das Gutachten in den Bestrebungen, die Regeln für die Mindestsicherung insbesondere für Asylsuchende zu verschärfen, bestärkt, ließ Lopatka die „Presse“ wissen. Zugleich attackierte er Stöger frontal: „Warum interpretiert der Sozialminister das Gutachten bewusst falsch?“

Der ÖVP-Fraktionschef bezog sich dabei auf einen in der Koalition besonders heftig umstrittenen Punkt, die von der ÖVP vehement geforderte und von der SPÖ scharf abgelehnte Deckelung der Mindestsicherung für Familien von Österreichern wie von Asylberechtigten mit maximal 1500 Euro im Monat. Sozialrechtler Rebhahn stellt zu diesem Streitpunkt klar fest: „Das Einführen einer für alle Berechtigten geltenden Höchstgrenze für die BMS (bedarfsorientierte Mindestsicherung, Anm.) ist aus Sicht der Status-RL (Richtlinie, Anm.) zulässig, sofern der Höchstbetrag das Mindestniveau sichert.“

Sozialminister Stöger fühlt sich, wie er die „Presse“ wissen ließ, dennoch in seiner Ansicht und jener des Sozialressorts bestätigt. Er verweist darauf, dass Asylberechtigte „grundsätzlich“ österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt sein müssten. Außerdem betont der Sozialminister, dass Rebhahn im Gutachten das Vorliegen einer Sondersituation in Österreich verneine, die Voraussetzung für eine Kürzung der Mindestsicherung für Menschen mit Asylstatus wäre. Lopatka hält dem entgegen, dass Österreich durch den Massenzustrom von Flüchtlingen im Vergleich zu anderen EU-Staaten sehr wohl in einer solchen Sondersituation sei.

Grünes Licht für Residenzpflicht

Immerhin: SPÖ und ÖVP sehen niedrigere Leistungen für subsidiär Schutzberechtigte, die zwar keinen Asylstatus haben, aber nicht in die Heimat abgeschoben werden können, einhellig als zulässig an.

Noch ein Punkt fällt im Gutachten auf. Es lässt die Möglichkeit zu, dass für Flüchtlingen eine Residenzpflicht in einem bestimmten Bundesland eingeführt wird. Dies strebt Stöger an, um Wien zu entlasten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2016)

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