Sieben-Punkte-Programm: Was Kern tun sollte

Christian Kern.
Christian Kern.(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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Ab Dienstag, 17 Uhr, übernimmt Christian Kern offiziell den Vorsitz in der Regierung. Welche Aufgaben er angehen sollte: Ein Arbeitsprogramm ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

1 Der Wirtschaftsstandort braucht einen sehr starken Motivationsschub.

„It's the economy, stupid“ – der Slogan, mit dem Bill Clinton 1992 die US-Präsidentschaftswahlen gewann, sollte auch als dicke Überschrift über dem Regierungsprogramm des neuen Bundeskanzlers stehen. Österreich fällt in internationalen Rankings dramatisch zurück, die Wettbewerbsfähigkeit schwindet, die Wirtschaftsstimmung ist im Keller, die Unternehmen fühlen sich bürokratisch sekkiert, die Arbeitslosigkeit steigt. Die Reparatur dieses Zustands ist eine Herkulesarbeit, aber notwendig. Es geht weniger um das Wie (die notwendigen Maßnahmen sind ausreichend definiert) als um die politische Durchsetzung. Und es gilt das TINA-Prinzip: „There is no alternative . . .“

2 Das Ausgabenproblem muss beseitigt werden, mit höheren Steuern geht das nicht mehr.

Ein guter Wirtschaftsstandort beginnt mit einem sanierten Haushalt. Die Regierung Kern wird also das immer noch virulente Ausgabenproblem lösen müssen, weil sich das nicht mehr lang mit immer höheren Einnahmen kaschieren lässt und die Staatsschulden an die Decke stoßen. Das wird ohne Staatsreform einschließlich Neuordnung des Föderalismus nicht gehen. Denn intransparenter Föderalismus ist (neben Reformstau in den Bereichen Gesundheit, Pensionen und Verwaltung) eines der großen Löcher im Budgetfass. Auch hier geht es rein um politische Durchsetzung.

3 Bei der Bildungsreform auf das Wesentliche konzentrieren. Und Tempo machen.

Zumindest um die Überschriften einer Bildungsreform muss sich der neue Kanzler nicht kümmern – mehr gibt es auch nach einem halben Jahr nicht. Kerns Aufgabe ist, endlich Tempo zu machen. Manches aus dem Reförmchen geht in die richtige Richtung: Schulautonomie, stärkeres Augenmerk auf den Kindergarten etwa. Darauf sollte man sich konzentrieren, falls möglich noch erweitern. Die notorische Unterfinanzierung des Bildungsressorts gehört gelöst, auch durch Effizienzgewinn. Klar ist: Wer immer Wackelkandidatin Gabriele Heinisch-Hosek nachfolgt, braucht Kerns volle Rückendeckung.

4 Eine Vereinheitlichung bei den Pensionen ist längst überfällig.

Kern erbt das Problem, dass die Bundeszuschüsse zu den Pensionen immer mehr Budget auffressen. Trotz der Eingriffe bei Invaliditäts- und Langzeitversichertenregelung 2014 steigt der errechnete Zuschuss bis 2020 weiter deutlich auf rund 13 Milliarden allein für die gesetzliche Pensionsversicherung (ASVG, Gewerbe, Bauern). Ohne erste Reformschritte wäre der Aufwand aus dem Staatshaushalt noch um einige Hundert Millionen Euro höher. Die Regierung müsste, um Verständnis bei der Bevölkerung für weitere Einschnitte bei den ASVG-Pensionen zu finden, die Vereinheitlichung („Harmonisierung“) der verschiedenen Pensionssysteme stark beschleunigen: Das gilt für die Beamtenpensionen, die seit 2005 bis etwa 2045/50 angeglichen werden, oder auch für die Sonderrechte der Wiener Beamten. Derzeit liegt nicht einmal ein Gesetzesentwurf zur Minipensionsreform vor.

5 Über Verwaltungs- und Staatsreformen nicht nur reden, sondern handeln.

Es sei doch Unsinn, sagte Werner Faymann einmal, dass man durch eine Verwaltungsreform den Staatshaushalt sanieren könne. Der Rechnungshof hingegen legte immer wieder Konzepte für hohe Einsparungen offen. Auch der Österreich-Konvent oder später von Regierungen eingesetzte Expertengruppen erarbeiteten Konzepte, die man nur umsetzen müsste. Um Doppelgleisigkeiten zwischen Bund und Ländern abzuschaffen und für eine durchdachtere Kompetenzverteilung zu sorgen. Doch vor den Bundesländern ging bisher noch jeder Kanzler in die Knie.

6 Ab wann ist ein Notstand ein Notstand? Eine langfristige Lösung im Asylbereich muss her.

Die Reform der Reform der Reform: Das Asylgesetz wurde in den vergangenen Monaten und Jahren immer wieder novelliert. Langfristige Zugänge zu der Problematik wurden aber trotzdem vermisst. Durch die neuesten Verschärfungen kann die Regierung de facto die Grenze dicht machen: Via Notstandsverordnung werden so gut wie alle Asylanträge abgelehnt. Wann es tatsächlich so weit ist, wird allen voran der Kanzler entscheiden. Das kann aber keine dauerhafte Lösung sein.

7 Der angekündigte neue Stil in der Regierungsarbeit muss umgesetzt werden.

Wie oft hat man ihn heraufbeschworen, den neuen Stil? Wenn SPÖ und ÖVP aber weiterhin den jeweiligen Partner angreifen (wie es derzeit Reinhold Lopatka macht), verspielen sie die letzte Chance, nach der nächsten Wahl an der Macht zu bleiben. Einziger Ausweg: dem Regierungspartner Erfolge gönnen. Und: genug gestritten. Diesmal wirklich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2016)

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