Christian Kern hat sich ein buntes Team zusammengestellt - aber nicht ohne Hintergedanken. Fast alle Gruppen, die in der SPÖ eine Rolle spielen, haben vom neuen Kanzler bekommen, was sie wollten.
Wien. Man kann Christian Kerns Personalpolitik auf unterschiedliche Arten lesen. Formal hat der neue Kanzler am Dienstag zwei Experten (Sonja Hammerschmid, Jörg Leichtfried), eineinhalb Quereinsteiger (Hammerschmid, Thomas Drozda), eine Muslima (Muna Duzdar) und eine Parteilose (Hammerschmid) in die Regierung geholt. Und daneben jene Minister im Amt belassen, von denen er meint, sie hätten einen guten Job gemacht. Man könnte aber auch sagen, dass Kern versucht hat, über die Personalauswahl alle Machtfaktoren in der SPÖ einzubinden. Um die Partei wieder zu einen.
Die vier Neuen sind nach der Angelobung des neuen Bundeskanzlers am Dienstagabend von Bundespräsident Heinz Fischer zu einem halbstündigen Informationsgespräch empfangen worden. Stellungnahmen werden sie aber erst nach ihrer Angelobung am Mittwoch abgeben. Ein Überblick über Kerns Konsens-Team – und das strategische Interesse dahinter.
Linker Parteiflügel
Der neue Infrastrukturminister, Jörg Leichtfried, und Muna Duzdar, die neue Staatssekretärin im Kanzleramt, sind ein Signal an die SPÖ-Linke. Vor allem Letztere. Duzdar war einst Internationale Sekretärin der Sozialistischen Jugend und zählt heute zum linken Flügel der Wiener SPÖ. Sie war eine der wenigen, die Werner Faymann nach dem Asylschwenk offen zum Rücktritt aufgefordert hatten. Daneben ist Duzdar aber auch ein Gegengewicht zu Sebastian Kurz, dem Rising Star der ÖVP. Denn die 37-jährige Juristin verkörpert eine Integrationserfolgsgeschichte. Ihre Eltern stammen aus Palästina.
Rechter Parteiflügel
Duzdars Antagonist im SPÖ-Team wird Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil sein, ein Burgenländer, den Landeshauptmann Hans Niessl zur Bedingung für die Unterstützung Kerns erklärt hat. Seit Franz Voves' Pensionierung führt Niessl den rechten Parteiflügel an. Und Doskozil ist seine diplomatische Vertretung in der Regierung.
Auch die neue Bildungsministerin, Sonja Hammerschmid, bewegt sich am rechten Rand der SPÖ. In der Schulpolitik tendiert sie zwar zur Gesamtschule, aber an den Universitäten tritt sie für Zugangsbeschränkungen und – im Zweifel – auch für Studiengebühren ein. Demnach ist sie am ehesten ein Reformsignal Kerns, und zwar an die ÖVP.
Gewerkschaft
Den Gewerkschaftern hat der neue Kanzler offenbar alle Wünsche erfüllt: Alois Stöger hat auch die jüngsten Ablösegerüchte überstanden und bleibt Sozialminister. Sabine Oberhauser wird aufgewertet: Zu Gesundheits- bekommt sie die Frauenagenden dazu.
Wien
Neben dem Staatssekretariat geht auch das Kanzleramtsministerium (samt Kultur und Medien) an Wien, nämlich an den Theatermanager Thomas Drozda. Der 50-Jährige, ein eher bürgerlicher Sozialdemokrat, stammt zwar aus Oberösterreich, machte aber in Wien politisch Karriere: als Berater der Kanzler Franz Vranitzky und Viktor Klima, als ORF-Stiftungsrat unter Alfred Gusenbauer und als kaufmännischer Geschäftsführer des Burgtheaters. Zuletzt war er Generaldirektor der Vereinigten Bühnen.
Und, aus Wiener Sicht nicht zu vergessen: Andreas Schieder bleibt Klubobmann.
Frauen
Für die SPÖ-Frauen fällt die Regierungsumbildung ambivalent aus. Die schlechte Nachricht: Gabriele Heinisch-Hosek, die Bundesfrauenchefin, verliert ihr Ministeramt. Die gute: Eine erfahrene Frauenpolitikerin folgt ihr nach. Sabine Oberhauser war Frauenvorsitzende im Gewerkschaftsbund und dort auch die erste Vizepräsidentin der Geschichte. Insgesamt ist der Frauenanteil im SPÖ-Team zumindest nicht kleiner geworden.
Bundesländer
Fast alle Landesparteien, die in der SPÖ etwas zu sagen haben, haben von Kern bekommen, was sie wollten – nicht nur die Wiener. Die Burgenländer haben Doskozil. Die Steirer durften Jörg Leichtfried gegen Gerald Klug tauschen und bekommen mit Max Lercher womöglich auch den Bundesgeschäftsführer. Nur die Kärntner gingen leer aus. Aber dafür konnte Kern nur bedingt etwas. Er wollte Ex-Infineon-Chefin Monika Kircher oder Finanzlandesrätin Gaby Schaunig nach Wien holen. Doch beide sagten ab.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2016)