Massenpensionierungen in Wien bringen Regierung unter Zugzwang

(c) Clemens Fabry
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Jene 800 Beamten der Stadtwerke, die in Frühpension geschickt werden, dürfen unbegrenzt dazuverdienen. ASVG-Pensionisten haben dieses Privileg nicht.

Wien. Sie war im März schon daran schuld, dass die rot-schwarze Bundesregierung nach dem Pensionsgipfel vom 29. Februar einen Rückzieher machen musste. Es ging um die „Bestrafung“ von Pensionisten, die im Ruhestand dazuverdienen, durch eine Streichung der Pension. Jetzt tritt Ingrid Korosec, die Nachfolgerin von Bundespräsidentschaftskandidat Andreas Khol an der Spitze des ÖVP-Seniorenbundes, erneut auf den Plan. Anlass sind die Massenfrühpensionierungen bei den Wiener Stadtwerken, die 800 Beamte zum Teil mit 54 Jahren in Pension schicken.

Korosec kritisiert jetzt, dass einheitliche Regeln für alle Pensionisten beim Zuverdienst – sogenannte Ruhensbestimmungen – nach wie vor fehlen. Beamte sind damit begünstigt. Denn ihnen ist es im Gegensatz zu Frühpensionisten im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) erlaubt, im Ruhestand unbeschränkt dazuzuverdienen.

Das Sparprogramm der Wiener Stadtwerke, mit dem – wie in der Samstagsausgabe der „Presse“ berichtet – 900 von bisher 5500 Posten innerhalb von drei Jahren abgebaut werden und immerhin 800 vorzeitig den Ruhestand antreten sollen, lässt mit einem Schlag das Problem neuerlich akut werden. Damit gerät die Bundesregierung wegen einer bisher aufgeschobenen Auseinandersetzung, um die es seit Ende Februar ruhig geworden ist, stark unter Druck.

Gesetzesentwurf bis Herbst

Das hat sie sich teilweise selbst zuzuschreiben. Schließlich hat Sozialminister Alois Stöger, der nach der Umbildung des SPÖ-Regierungsteams im Mai im Amt geblieben ist, eine Harmonisierung, also eine Vereinheitlichung der Bestimmungen für ASVG-Pensionisten und Beamte im Ruhestand, angekündigt. „Die Harmonisierung ist nicht vom Tisch“, wurde jetzt auf Anfrage der „Presse“ im Büro des Sozialministers versichert.

Allerdings zieht sich die Umsetzung der Vereinbarungen vom Pensionsgipfel am 29. Februar, bei dem unter anderem die Möglichkeit eines Teilkrankenstands paktiert wurde, generell hin. Man sei jetzt gerade dabei, die legistischen Arbeiten dafür zu machen, wurde im Sozialressort erläutert. Ein Gesetzesentwurf soll im Herbst in Begutachtung geschickt werden.

Die Bevorzugung der Beamten, was den Zuverdienst betrifft, die vielen ASVG-Versicherten sauer aufstößt, bleibt damit vorerst jedenfalls bestehen. Wenn ASVG-Frühpensionisten dazuverdienen und die Einkünfte daraus die Geringfügigkeitsgrenze von rund 405 Euro im Monat übersteigen, so wird die Pension gestrichen.

Bei den Beamten ist das anders: Diese dürfen auch bei einem vorzeitigen Ruhestand voll dazuverdienen, ohne dass die Pension gestrichen wird. Diese Ungleichbehandlung gibt es seit einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshof im Jahr 2005.

Koalition uneins

In der rot-schwarzen Koalition ist unklar, wie eine einheitliche Lösung für alle Pensionisten ausschauen könnte. Für Korosec und den ÖVP-Seniorenbund ist die Sache hingegen klar: Sie fordern, dass alle „Schlupflöcher“ in die Frühpension geschlossen werden – und dass die Zuverdienstgrenze für alle Pensionisten abgeschafft wird.

Dagegen gibt es allerdings innerhalb der SPÖ Widerstände. Gleichzeitig wird aber geltend gemacht, dass die Einführung von Ruhensbestimmungen in der Beamtenpension in der Vergangenheit vom Verfassungsgerichtshof gekippt worden sei.

Die vielen geplanten Frühpensionierungen bei den Stadtwerken sind für die ÖVP generell ein Anlass, um eine weitere, seit Langem vorgebrachte Forderung einmal mehr zu bekräftigen: Wien solle endlich die Pensionsreform der schwarz-blauen Bundesregierung für Beamte der Gemeinde Wien nachvollziehen. Die rot-grün regierte Bundeshauptstadt hat eine raschere Umsetzung bis 2028 – wie für Beamte im Bund – nämlich immer strikt abgelehnt. In Wien soll die Gleichstellung erst im Jahr 2042 abgeschlossen sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2016)

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