Am Montag beginnt ein beispielloses Verfahren. Die Höchstrichter vernehmen 90 Zeugen und müssen die Frage beantworten: Wird die Bundespräsidentenwahl wegen der Fehler bei der Durchführung wiederholt?
Neun Männer und fünf Frauen haben es in der Hand. Die Verfassungsrichter werden bis 6. Juli entscheiden, ob die Stichwahl um das Amt des Bundespräsidenten zwischen dem siegreichen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer wiederholt werden muss. Die FPÖ hat die Wahl beim Höchstgericht angefochten. Heute, Montag, beginnt im Verfassungsgerichtshof unter der Vorsitzführung Gerhart Holzingers dazu ein bisher beispielloses Verfahren.
90 Zeugen sollen einvernommen werden. Gleichzeitig haben die Anwälte Van der Bellens gestern, Sonntag, eine 43-seitige Stellungnahme veröffentlicht, die auch an die Höchstrichter ergangen ist. Der Kern der Ausführungen: Es gebe keinerlei Hinweise auf Manipulationen, das Ergebnis habe den Wählerwillen „korrekt abgebildet“.
Gerhart Holzinger
Präsident. Der frühere Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt gilt als überaus penibler Jurist. Holzinger ist zwar Mitglied des schwarzen Cartellverbands, der gebürtige Gmundner wird im Höchstgericht selbst aber eher als rot gehandelt. Holzinger ist bis Ende nächsten Jahres im Amt, dann muss er wegen der Altersgrenze von 70 Jahren ausscheiden. Dem Präsidenten obliegt es, die heute, Montag, beginnende Verhandlung zu führen. Er hat aber nur in den seltenen Fällen bei Gleichstand ein Stimmrecht – was bei 13 anderen Verfassungsrichtern nur vorkommt, wenn ein Mitglied plötzlich erkrankt.
Brigitte Bierlein
Vizepräsidentin. Der Wienerin kommt bei der Einvernahme der 90 Zeugen, die bis Donnerstag erfolgen soll, im aktuellen Verfahren eine besondere Bedeutung zu. Denn Brigitte Bierlein ist die Einzige unter den 14 Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs, die über praktische Erfahrungen bei Vernehmungen verfügt. Immerhin war sie nach Absolvieren der Richteramtsprüfung Richterin am Bezirksgericht Wien Innere Stadt und am Strafbezirksgericht Wien, später Staatsanwältin, dann in der Oberstaatsanwaltschaft Wien, schließlich Generalanwältin in der Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof.
Christoph Herbst
Rechtsanwalt. Der Wiener Verfassungsrichter Christoph Herbst gilt als Vertrauensmann des niederösterreichischen Landeshauptmanns Erwin Pröll. Dieser hat ihn vor seinem Ruf an das Höchstgericht in mehreren Angelegenheiten zurate gezogen.
Georg Lienbacher
Universitätsprofessor. Der gebürtige Salzburger ist Vorstand des Instituts für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht an der Wirtschaftsuniversität Wien. Wie Präsident Gerhart Holzinger war er auch Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt.
Ingrid Siess-Scherz
Parlamentsexpertin. Ingrid Siess-Scherz war im Kanzleramtsverfassungsdienst, später Chefin des Rechtsdienstes des Parlaments. Sie sitzt im Geschäftsführenden Ausschuss der Gesellschaft für Gesetzgebungslehre und des Juristentages.
Christoph Grabenwarter
Universitätsprofessor. Er ist mit seinen 49 Jahren der Benjamin unter den Höchstrichtern, der Steirer Christoph Grabenwarter. Der WU-Professor war Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und ist Präsident des Juristentages.
Sieglinde Gahleitner
Rechtsanwältin. Die ausgewiesene Expertin im Arbeitsrecht war sozialpolitische Referentin der Bundesarbeitskammer. Sieglinde Gahleitner ist Rechtsanwältin und Vizepräsidentin der Gesellschaft für Arbeits- und Sozialrecht.
Rudolf Müller
Pensionsexperte. Rudolf Müller ist einer der wenigen Verfassungsrichter, der häufiger öffentlich auftritt. Immerhin ist er der Vorsitzende der Kommission für langfristige Pensionssicherung. Müller muss wie Präsident Gerhart Holzinger selbst Ende 2017 in Pension gehen.
Eleonore Berchtold-Ostermann
Rechtsanwältin. Die Juristin hat auch ein Studium der Wirtschaftspädagogik abgeschlossen, war im Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes und danach auch wissenschaftliche Mitarbeiterin des Verfassungsgerichtshofs. Diesem gehört sie nun bereits seit 1997 an.
Claudia Kahr
Ministerienexpertin. Über zahlreiche Erfahrungen in Kabinetten von Ministerien und im Parlamentsklub der SPÖ verfügt die gebürtige Grazerin Claudia Kahr. Derzeit hat sie auch den Vorsitz im Aufsichtsrat der Asfinag inne.
Johannes Schnizer
Ex-Kabinettschef. Bundeskanzler Alfred Gusenbauer hat ihm als Kabinettschef vertraut: Johannes Schnizer. Der Grazer war davor unter anderem viele Jahre im Parlamentsklub der SPÖ verfassungsrechtlicher Referent.
Helmut Hörtenhuber
Honorarprofessor. In der oberösterreichischen Landesverwaltung hat sich der Linzer Helmut Hörtenhuber hochgearbeitet. Bis zum Leiter des Verfassungsdienstes des Landes hat er es gebracht. Als Honorarprofessor lehrt er an der Universität Linz.
Markus Achatz
Universitätsprofessor. Er gilt als der Steuerrechtsexperte am Verfassungsgerichtshof. Markus Achatz war 2011/2012 Mitglied der Steuerreformkommission im Finanzministerium unter Maria Fekter und lehrt an der Linzer Universität.