Straches Geheimmission im Kanzleramt

Heinz-Christian Strache knüpft Kontakte mit der SPÖ auf Bundesebene.
Heinz-Christian Strache knüpft Kontakte mit der SPÖ auf Bundesebene.APA/GEORG HOCHMUTH
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Christian Kern schlägt in der Geschichte der Beziehungen zwischen SPÖ und FPÖ ein neues Kapitel auf: Nach einem Spitzentreffen von Rot-Blau scheint zunächst einmal das Eis gebrochen.

Kein Zweifel, es ist schon ein besonderes Gefühl, das Haus Ballhausplatz 2 zu betreten. Jenes Haus visavis der Hofburg, in dem Fürst Metternich den Wiener Kongress orchestrierte, Engelbert Dollfuß verblutete und Bruno Kreisky ohne Koalitionspartner mehr als ein Jahrzehnt regierte. Und dieser vergangene Freitag war auch ein besonderer Tag. Alles, was politisch Rang und Namen hat, war am Vormittag im Parlament zur Verabschiedung Heinz Fischers aus dem Amt des Bundespräsidenten versammelt.
Wenige Stunden später, die Räume des Leopoldinischen Trakts der Wiener Hofburg sind bis Ende November verwaist, herrscht gegenüber kurz Betriebsamkeit. Limousinen fahren vor, Polizisten treten zur Seite, öffnen das Tor des Bundeskanzleramts und lassen den schweren Absperrungsbalken im Boden versinken. Heinz-Christian Strache ist da. Im Haus Ballhausplatz 2, im Zentrum der Macht der Republik.

Lange wurde gerätselt, wo das ursprünglich geheime Treffen zwischen Spitzenrepräsentanten von SPÖ und FPÖ stattfinden wird. Im Burgenland soll es sein, glaubten die einen zu wissen, genauer: im Seewinkel wieder andere. Fotografen wurden in die pannonische Ebene rund um den Neusiedler See geschickt. Alles vergebens. Oft sind es eben die naheliegendsten Dinge, die überraschen. Denn tatsächlich war es naheliegend, dass Bundeskanzler Christian Kern den Chef der FPÖ in seinem Büro trifft. So wie er es bereits vorher, ohne hyperventilierende journalistische Begleitung, mit der grünen Bundessprecherin Eva Glawischnig oder mit Neos-Frontmann Matthias Strolz und sogar mit Robert Lugar vom zerbröselnden Team Stronach gehalten hat.

Ganz viel Burgenland im Kanzleramt

Aber natürlich, dieser Termin zwischen Kern und Strache ist ein besonderer. Zu zerrüttet waren in den letzten drei Jahrzehnten die Beziehungen zwischen SPÖ und FPÖ. Bis im Burgenland Landeshauptmann Hans Niessl fast auf den Tag vor einem Jahr als Tabubrecher auftrat. Es wird wohl kein Zufall sein, dass Kern nicht nur seinen Klubvorsitzenden Andreas Schieder sondern eben gerade auch Niessl zu dem Treffen gebeten hat. Strache wiederum wurde von Norbert Hofer begleitet und von gleich zwei Burgenländern, Vizelandeshauptmann Johann Tschürtz und dem blauen Landesrat Alexander Petschnig.
Freundlich, in höflicher Atmosphäre sei die Zusammenkunft verlaufen, hieße es am Tag danach.

Präsidentschaftskandidat Hofer meinte im Ö1-Mittagsjournal, es sei kein Gespräch gewesen, um eine Koalition vorzubereiten. Das Treffen habe vielmehr dazu gedient, ein normales Gesprächsklima aufzubauen. Was auch gelungen sei. Tschürtz sprach von einem „demokratiepolitisch notwendigen“ Gedankenaustausch. In der SPÖ war zunächst niemand bereit, sich offiziell zu äußern. Aus der Umgebung des Bundeskanzlers hieß es, Christian Kern habe von Beginn an erklärt, Kontakte mit allen im Nationalrat vertretenen Parteien pflegen zu wollen. Ohne Tagesordnung und ohne Druck, irgendein Ergebnis abliefern zu müssen, seien die Auffassungen zu verschiedenen Themen ausgetauscht worden.
Das Eis ist offenbar gebrochen seit jenem Treffen, zumindest zwischen den Spitzenrepräsentanten von SPÖ und FPÖ. Ein neues Kapitel in den Beziehungen beider Parteien scheint aufgeschlagen. Nicht viel mehr – aber auch nicht viel weniger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2016)

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