Spindelegger: „Bei Ortstafeln Handlungsbedarf“

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Außenminister Spindelegger rügt Slowenien. Und hält die Diskussion über eine Arbeitserlaubnis für Asylwerber angesichts der Wirtschaftskrise zu diesem Zeitpunkt für unangebracht.

„Die Presse“: Sloweniens Regierung hat den Druck auf Österreich in der Ortstafelfrage deutlich erhöht: Was soll Kanzler Faymann nun tun?

Spindelegger: Ich glaube, dass wir in dieser Frage sehr wohl Handlungsbedarf haben. Das sind wir uns selber schuldig. Man muss versuchen, in Kärnten einen Konsensweg zu finden. Ich weiß, das ist schwierig. Aber es bleibt uns nicht erspart. Alle Beteiligten sollten an einem Tisch zusammenkommen und eine Lösung finden.

Premierminister Borut Pahor sagt, Slowenien sei in Bezug auf Österreichs Staatsvertrag der Rechtsnachfolger Jugoslawiens. Ist das so?

Spindelegger:In dieser Frage sind wir ganz anderer Auffassung. Es entspricht nicht unserem Rechtsverständnis, dass alle Staaten Ex-Jugoslawiens automatisch Rechtsnachfolger sind. Das ist rechtlich nicht vertretbar, weil der Staatsvertrag ein in sich geschlossener Vertrag ist, primär abgeschlossen zwischen den Alliierten und Österreich. Jugoslawien und die Tschechoslowakei haben nur mitunterzeichnet. Wir treten dem vehement entgegen, dass hier versucht wird, völkerrechtlich einen Punkt zu machen. Das ändert aber nichts daran, dass wir die Pflicht haben, den Staatsvertrag umzusetzen.

Wie stark engagiert sich Österreich im Grenzstreit zwischen Slowenien und Kroatien um die Bucht von Piran?

Spindelegger: Wir haben uns immer wieder eingebracht. Ich halte es für widersinnig, dass ein Mitgliedsland der EU die EU-Verhandlungen mit einem potenziellen Mitglied, das noch dazu sein Nachbar ist, auf Dauer blockiert. Es ist schon problematisch, wenn eine rein bilaterale Auseinandersetzung zwischen zwei Staaten auf die europäische Ebene gehoben wird und einen so zentralen Prozess wie die EU-Erweiterung um Kroatien zum Stillstand bringt.

Wie heftig waren die diplomatischen Störungen im Verhältnis zu Italien nach Martin Grafs Südtirol-Äußerungen?

Spindelegger: Es gab einen Brief des italienischen Außenministers an die Nationalratspräsidentin und auch an mich. Weil der fälschliche Eindruck entstanden war, es würde sich um eine Meinung des Nationalrats handeln. Das war unangenehm und wurde von uns richtiggestellt. Entscheidend ist jedenfalls, dass Österreich seine Schutzfunktion für Südtirol voll ausübt. Aber diejenigen, die diese Schutzfunktion in Anspruch nehmen sollen, sind die Südtiroler. Von österreichischer Seite künstlich nach Südtirol hineinzurufen, das ist garantiert der falsche Weg.

Haben Sie als Außenminister eigentlich Zeit für ihre Nebentätigkeit als ÖAAB-Obmann?

Spindelegger: Ich nehme mir die Zeit, um eine hörbare Stimme für die Arbeitnehmer zu sein. Wir haben soeben im ÖAAB unser Herbstprogramm festgelegt. Am 2.Oktober erfolgt der Startschuss für das neue Zukunftsforum Soziales. Dabei geht es um zukunftsorientierte Arbeitnehmerpolitik, eine Stärkung der Mitarbeiterbeteiligung, um Flexibilisierung durch das Zeitwertkonto und um die Frage, was man für die atypisch Beschäftigten tun kann. Wir konnten einen ganz besonderen Politiker gewinnen, der nach Österreich kommen wird, um dieses Forum mit mir aus der Taufe zu heben: den CDU-Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen Jürgen Rüttgers. Ein Politiker, der Wahlen in einem zuvor SPD-dominierten Bundesland gewonnen und dabei hohe Zustimmung für seine Sozialpolitik gefunden hat.

War die ÖVP in den vergangenen Jahren zu unsozial?

Spindelegger:In der Polarisierung zur SPÖ ist der Eindruck entstanden, wir sind die Wirtschaftspartei, die SPÖ die Arbeitnehmerpartei. Doch diese Grenzen verschwimmen. Wir haben ein sehr zeitgemäßes Angebot auf christlich-sozialer Grundlage, das sich vor allem auch an den leistungsorientierten Arbeitnehmer richtet.

Ihre steirischen Parteifreunde fordern statt der Mindestsicherung von 733 Euro nun ein „Bürgergeld“: 800 Euro, davon abgezogen 200 Euro für die Sozialversicherungen – bei Abschaffung aller übrigen Transferleistungen. Was halten Sie davon?

Spindelegger: Es ist legitim, bei der Erarbeitung einer Neuregelung Alternativen vorzuschlagen. Aber ich glaube, dass die Mindestsicherung ein schlüssiges Konzept ist, das mehrheitsfähig ist – auch in den Ländern.

Sollen Asylwerber in Österreich arbeiten dürfen?

Spindelegger: Man kann über viele Vorschläge diskutieren. Ich halte eine solche Diskussion angesichts des angespannten Arbeitsmarkts und der Wirtschaftskrise zu diesem Zeitpunkt aber für unangebracht.

ZUR PERSON

Michael Spindelegger (49) ist Außenminister und Obmann des ÖVP-Arbeitnehmerbunds ÖAAB. Der Niederösterreicher aus der Hinterbrühl war Zweiter Nationalratspräsident, Vizeklubchef der ÖVP und unter den ersten österreichischen Delegierten, die 1995 ins EU-Parlament einzogen. Der Jurist ist verheiratet, seine Frau arbeitet im Rechnungshof, die beiden haben zwei Söhne.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2009)

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