"Ich gehöre da nicht hin"

Frau Anna ist Restauratorin inWien.
Frau Anna ist Restauratorin inWien.Die Presse/Clemens Fabry
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Frau Anna ist trotz Teilzeit auf Sozialhilfe angewiesen.

Frau Anna hat keine Scheu davor, sich öffentlich als Mindestsicherungsbezieherin zu deklarieren – auch im Fernsehen hat sie das getan. Für die ORF-Sendung „Im Zentrum“ hat sie ihre Finanzen offengelegt und damit in sozialen Netzwerken für Diskussionen gesorgt.

Denn Frau Anna hat insgesamt pro Monat 2500 Euro netto zur Verfügung. Die alleinerziehende Mutter arbeitet 20 Stunden als Restauratorin im Theatermuseum in Wien und verdient dort 1065 Euro netto pro Monat. Drei ihrer vier Kinder leben noch bei Frau Anna. Sie sind 23, 16 und neun Jahre alt. Für sie erhält die 54-Jährige laut eigenen Angaben rund 700 Euro Kinderbeihilfe. Frau Annas erster geschiedener Mann, der Vater der älteren drei Kinder, ist vor Jahren verstorben. Der jüngsten Tochter steht Waisenpension in der Höhe von rund 200 Euro zu. Auch von ihrem zweiten Mann, mit dem Frau Anna einen Sohn hat, ließ sie sich scheiden. Der zahlt 50 Euro Unterhalt. Zählt man alles zusammen, bleibt Frau Anna mit ihren drei Kindern unter dem Mindeststandard. Deshalb bezieht sie Mindestsicherung in der Höhe von 80 Euro. Damit steht ihr Wohnbeihilfe zu. Die macht 330 Euro aus. Insgesamt kommt Frau Anna so auf die damals genannten rund 2500 Euro.

Die Kritiker halten das für zu viel. Frau Anna selbst sieht das anders. Sie komme gerade über die Runden. Denn ihre Fixkosten würden sich auf 1200 Euro belaufen. Bleiben also 1300 Euro. Sie müsse oft beim Essen sparen und sich manchmal Geld von den Eltern, um deren Pflege sie sich mittlerweile kümmern muss, ausborgen. Dem Staat müssten Kinder eigentlich mehr wert sein, ist sich Frau Anna sicher.

Damit, dass sie einmal Mindestsicherung bezieht, habe sie nicht gerechnet: „Ich gehöre da nicht hin, das ist ein Systemfehler“, habe sie gedacht. Mittlerweile steht sie dazu. Es habe viele Schwierigkeiten gegeben: den Tod des ersten Exmannes, die falsche Wahl des zweiten. Eine Tochter habe multiple Sklerose, die andere kämpfe mit psychischen Problemen. Dass Frau Anna das erzählt, hat einen Grund: „Die Leute sollen verstehen, dass wir Mindestsicherungsbezieher nicht ein Prozentsatz, sondern Menschen sind.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2016)

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