"Es ist kein Anreiz da, dass man arbeitet"

Mindestsicherung
MindestsicherungClemens Fabry
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Der alleinerziehende Vater fährt vormittags Taxi und bezieht als Aufstocker Mindestsicherung.

Herbert Huber weiß, was es heißt, viel zu verdienen. 3000 bis 4000 Euro netto monatlich kassierte er laut eigenen Angabe als Taxifahrer, fuhr jährlich zweimal auf Urlaub und dachte beim Kauf des neuesten Fernsehers nicht lang nach. Heute ist das anders. Huber, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, lebt zum Teil von der Mindestsicherung.

Dazwischen liegen 15 Jahre und einige Rückschläge. Als Hubers mittlerweile 14-jähriger Sohn ein Jahr alt war, verschwand die Mutter des Kindes. „Von einem Tag auf den anderen war sie fort.“ Der mittlerweile über 50-Jährige war plötzlich alleinerziehender Vater. „Was mache ich jetzt? Ich habe unten ein Taxi und oben ein Kind, dachte ich mir“, erzählt Huber. Er habe eine Lösung gefunden und seinen Sohn einfach ins Taxi gesetzt. „Der Kleine machte mehr Trinkgeld als ich.“ Immer konnte und wollte Huber den Kleinen aber nicht mitnehmen. Vollzeit zu arbeiten wurde immer schwieriger.

Auch im Kindergarten gab es Probleme. Zweimal musste der Sohn wegen seines auffälligen Verhaltens den Kindergarten verlassen. Dann wurde ADHS diagnostiziert. Der Sohn durfte nicht weiter beim Vater leben und wurde in einer betreuten Wohngemeinschaft untergebracht. Jahre verbrachte er nur die Wochenenden und zwei Nachmittage unter der Woche beim Vater. Mittlerweile ist er wieder fix bei Huber eingezogen.

Halbtags Taxi fahren. Vollzeit zu arbeiten sei für ihn deshalb nicht möglich, sagt Huber. Am Nachmittag dürfe er seinen Sohn nicht allein lassen, und die Nachmittagsbetreuung sei zu teuer. So fährt Huber nur vormittags Taxi. Das bringt 300 bis 400 Euro. Den Rest des Geldes bekommt er vom Staat. Huber zählt zu den sogenannten Aufstockern. Jener großen Gruppe an Mindestsicherungsbeziehern, die zum Einkommen etwas aufbezahlt bekommen. Wobei die meisten Aufstocker nicht wie Huber erwerbstätig sind, sondern Leistungen wie Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder etwa Pension beziehen.

Die Differenz zwischen seinem Einkommen und der in Wien mit 837,76 Euro festgelegten Mindestsicherung für Alleinerzieher bekommt Huber überwiesen. Dazu kommen 226,20 Euro für den Sohn, Familienbeihilfe und eine kleine Mietzinsbeihilfe. Macht rund 1200 Euro pro Monat. 430 Euro davon werden von der Miete geschluckt. Abzüglich der Fixkosten bleiben täglich etwa 20 Euro für Einkäufe, Schulsachen, Kleidung. „Da darf nicht viel Unerwartetes kommen“, sagt Huber. Beim Sohn versucht er nicht zu sparen. Zuletzt bekam der sogar ein Baseballkapperl um 70 Euro. „Ich will ihn nicht ins Abseits stellen. Er soll beim Turnen in der Schule nicht als Letzter gewählt werden.“

Würde Huber nicht Taxi fahren, wäre sein Gesamteinkommen genauso hoch. „Es ist eigentlich kein Anreiz da, dass man arbeitet.“ Er habe genügend Bekannte, die deshalb lieber zu Hause blieben. Für ihn sei das keine Option. Er möchte seinem Sohn etwas anderes vorleben. Außerdem war er selbst ein Jahr arbeitslos. „Da habe ich das mit dem Zuhausebleiben probiert, aber wenn man einen ganzen Tag Hausfrauensendungen schaut, wird man wuschi im Kopf.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2016)

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