200 Millionen mehr für die Mindestsicherung

(c) APA/BARBARA GINDL
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Der Anstieg der Ausgaben für das Sozialgeld auf bundesweit 870 Millionen Euro heizt die Debatte an.

Wien. Schon die Rechnungshofprüfer haben die miese Datenlage bei der Mindestsicherung beklagt. Selbst Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) muss noch bis zum Herbst auf die offiziellen bundesweiten Daten der Statistik Austria über die Zahl der Bezieher des Sozialgeldes aus dem vergangenen Jahr warten. Nach Berechnungen der Bundesländer sind die Kosten für die Mindestsicherung im Vorjahr österreichweit aber um rund 200 Millionen Euro auf 870 Millionen Euro gestiegen.

Diese Zahl für die Ausgaben für die Mindestsicherung für 2015 nennt der niederösterreichische ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner. Zum Vergleich: Für das Jahr 2014 gibt es offizielle Zahlen, nach denen sich die Kosten für die Mindestsicherung damals auf 673 Millionen Euro für 256.000 Bezieher beliefen. Niederösterreichs ÖVP beruft sich bei den Zahlen für den Anstieg im Vorjahr auf Rechnungsabschlüsse der Bundesländer sowie interne Hochrechnungen. Das Sozialministerium konnte auf Nachfrage diese Daten nicht bestätigen.

Mehr als eine Milliarde

Die angeführten 870 Millionen Euro stellen allerdings noch nicht die jährlichen Gesamtkosten für die Bezieher der Mindestsicherung dar. Dazu kommen außerdem die Ausgaben für die Krankenversicherung, die zu einem großen Teil vom Bund getragen werden, sowie für das Arbeitsmarktservice (AMS) für diesen Personenkreis. ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka beziffert daher die Gesamtkosten mit mehr als einer Milliarde Euro pro Jahr.

Die Stadt Wien hat übrigens die Zahlen der Bezieher der Mindestsicherung für das Vorjahr bereits im Frühjahr öffentlich bekannt gegeben. Wie berichtet, stieg deren Zahl in der Bundeshauptstadt 2015 auf 180.000. Immerhin 42 Prozent davon waren Ausländer. Das rot-grün regierte Wien lehnt jedoch Kürzungen des Sozialgeldes ab, ist aber über eine teilweise Umstellung von Geld- auf Sachleistungen gesprächsbereit.

Das deutliche Hinaufschnellen der Ausgaben liefert der Bundes-ÖVP, aber auch der nieder- und oberösterreichischen Landespartei sowie der Wiener ÖVP, die vehement für Verschärfungen und Kürzungen der Mindestsicherung für Asylberechtigte eintreten, zusätzliche argumentative Munition. Die ÖVP verlangt, weil sie weitere Kostensteigerungen vor allem durch Asylberechtigte, die mangels Job die Mindestsicherung erhalten, befürchtet, unter anderem eine Obergrenze von 1500 Euro im Monat für Familien. Dazu kommen noch Familienbeihilfe oder Kindergeld. Das lehnt Sozialminister Stöger nach wie vor entschieden ab.

Niederösterreich ist in einer Schlüsselrolle bei den Verhandlungen über eine Neuregelung der Mindestsicherung, weil das Land mit Barbara Schwarz die einzige ÖVP-Landesrätin im Kreis der Soziallandesräte stellt, und diese ihre Zustimmung verweigert hat.

Wie in Oberösterreich verstärkt die ÖVP in Niederösterreich mit Verweis auf den Kostenanstieg im vergangenen Jahr den Druck auf den Sozialminister. Dessen „Realitätsverweigerung und Beschwichtigungsversuche“ seien „fahrlässig“, warf ihm Landesgeschäftsführer Ebner vor. Stöger argumentiert, die ÖVP würde mit Kürzungen nicht nur Ausländer und Asylberechtigte treffen, sondern auch Österreicher.

Drohung aus Niederösterreich

Die schwarze Landespartei mit Landeshauptmann Erwin Pröll an der Spitze hat schon vor dem Sommer in einer landesweiten Kampagne für Verschärfungen bei der Mindestsicherung geworben: Wer arbeite, dürfe „nicht der Dumme“ sein. Es steht die Drohung im Raum, dass Niederösterreich, wie im Juli bereits Oberösterreich, ausschert und im Alleingang ab 2017 eine Neuregelung und Kürzung beschließt, sollte es bei den Bund-Länder-Beratungen im Herbst zu keiner Einigung über ein bundesweites Modell kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2016)

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