Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner geht mit dem Kanzler hart ins Gericht und sieht angekündigte Joboffensive bis 2020 gefährdet.
Wien. Während der Regierungschef eben für Herbst Ergebnisse der Arbeitsgruppen im Wochentakt angekündigt hat, macht sich beim ÖVP-Wirtschaftsbund gut hundert Tage nach dem Amtsantritt von Bundeskanzler SPÖ-Chef Christian Kern Ernüchterung breit. Die Unzufriedenheit gipfelt bei ÖVP-Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner im Gespräch mit der „Presse“ in dem Befund: „Er ist eine Art Mini-Marx.“
Haubner hat anfangs geglaubt, Kern werde mit seiner Wirtschaftserfahrung als ehemaliger ÖBB-Generaldirektor einen pragmatischen Weg einschlagen. Tatsächlich habe er jedoch einen „Linksruck“ vollzogen. ÖVP-Parlamentarier Haubner erinnert daran, dass Kern die Abschaffung des traditionellen Pressefoyers nach dem Ministerrat damit begründet habe, er wolle nicht bloß Überschriften produzieren.
„Üble Überschriftenpolitik“
Der schwarze Wirtschaftsvertreter kreidet dem Regierungschef besonders dessen Plan an, die Wertschöpfungsabgabe, die einstige sogenannte Maschinensteuer, mit einem Pilotprojekt starten zu wollen. Dabei würden die Arbeitgeberbeiträge basierend auf der Lohnsumme gesenkt und gleichzeitig stattdessen Gewinne, Mieten und Pachten in die Berechnung einbezogen. „Die Wertschöpfungsabgabe ist eine Überschriftenpolitik der übelsten Sorte“, wettert Haubner: „Kern will das Feld der Steuerbelastung erweitern.“ Und: „Der Vorschlag gehört ins Archiv.“ Die SPÖ solle damit nicht den technischen Fortschritt bremsen.
Während Kern bisher konkrete Anreize, damit Unternehmen investieren, weitgehend schuldig geblieben sei, sei das Konzept für die Wertschöpfungsabgabe „das Einzige, das präzisiert wurde“. Es gehe in Richtung einer „stetigen Umverteilung“. Dabei sei das für den Wirtschaftsstandort Österreich eine weitere Belastung. Es sei auch bezeichnend, dass man die Abgabe in Europa außer in Italien nirgends finde. Für den Wirtschaftsbund sind vielmehr Investitionsfreibeträge und eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten zur Entlastung der Betriebe überfällig.
Der Wirtschaftsbund-Generalsekretär zweifelt stark daran, dass mit Plänen wie der Wertschöpfungsabgabe die von Kern am Montagabend im ORF-„Sommergespräch“ (741.000 Zuschauer) angekündigte Schaffung von 200.000 Jobs bis 2020 verwirklichbar sei. Unter derartigen Voraussetzungen „schaffen wir das dann nie.“
Ziel für Ökonomen zu schaffen
Für Ökonomen ist Kerns Ziel nach den jetzigen Prognosen „nicht unrealistisch“. Schon bisher hat die Beschäftigtenzahl seit 2009 auf rund 3,6 Millionen zugenommen – bei rund 400.000 Arbeitslosen. So rechnet das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) bei einem jährlichen Wachstum von ein bis 1,2 Prozent mit bis zu 165.000 Arbeitsplätzen. Werden nicht aktive Beschäftigte (etwa jene in Karenz) einbezogen, wären es bis 2020 bis 235.000 Jobs.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2016)