Die Neuinszenierung des Ministerrats in mehreren Akten sorgte für Irritationen unter den Darstellern.
Wien. Da seien heute mehr Zuseher als sonst beim Pressefoyer, stellt Kanzler Christian Kern fest. Und lächelt zufrieden. Es ist neun Uhr an diesem Dienstag, erst in einer Stunde soll der Ministerrat starten. Nachdem die Regierung in der Vorwoche die Abschaffung des gemeinsamen Pressefoyers von Kanzler und Vize verkündet hatte, lud Kern überraschend zu einem Pressegespräch. Diesmal vor dem Ministerrat und vor allem allein. Mit den Worten „Ich sehe mich nicht unbedingt verpflichtet, in diesem Hunderennen eine Rolle zu spielen“, hatte Kern in der Vorwoche dem traditionellen gemeinsamen Pressegespräch nach dem Ministerrat eine Absage erteilt.
Nun steht Kern allein im Kongresssaal des Kanzleramts. Er spricht in gewohnter Manier, ohne Pult und weitgehend frei. Nur selten schaut er auf seine handgeschriebenen Notizen, die er auf einem kleinen Tisch daneben deponiert hat. Kern informiert darüber, was im Ministerrat Thema sein wird. Dass man im Lauf des Tages die Notverordnung im Asylbereich auf Schiene bringen will. Und dass man sich für die Ministerräte im Herbst Schwerpunkte vorgenommen hat. Es ist eine One-Man-Show, und Kern selbst scheint die größte Freude daran zu haben.
„Bis zum nächsten Mal!“
Seine Miene verfinstert sich aber, als er gefragt wird, ob das gegenseitige Wetteifern von Regierungsmitgliedern rund um den Ministerrat nun nicht erst recht an einen Wettbewerb wie Hunderennen erinnert. Zumal Vize Reinhold Mitterlehner schon in der Vorwoche angekündigt hatte, weiterhin im Zusammenhang mit der Sitzung vor die Presse zu treten. Und es zusätzlich auch noch den eigentlich als Ersatz für das bisherige Pressefoyer angedachten Auftritt der beiden Regierungskoordinatoren Thomas Drozda und Harald Mahrer nach dem Ministerrat gibt. Es gehe ihm um die Diskussion, sagt Kern zu den Medienvertretern, und sie könne in diesem Rahmen einfach besser stattfinden. Kern dankt fürs Kommen und verabschiedet sich: „Bis zum nächsten Mal!“
Ein solches nächstes Mal dürfe es aber nicht so schnell geben, befindet Reinhold Mitterlehner, als er sich kurz vor 10.30 Uhr auf dem Weg in den Ministerrat den Medien stellt. „Das, was heute stattgefunden hat, war hoffentlich eine Ausnahme“, meint er in Richtung Kern. Tatsächlich hatte der Soloauftritt des Kanzlers und vor allem dessen Zeitpunkt vor dem Ministerrat die schwarze Reichshälfte irritiert. Zumal Inhalte der Sitzung veröffentlicht worden waren, bevor die Sitzung überhaupt stattfand. „Ärger ist die falsche Kategorie, aber das kann so nicht sein“, sagt Mitterlehner über Kerns Auftritt. Der ÖVP-Chef runzelt die Stirn und geht in die Sitzung.
Als Mitterlehner wieder herauskommt und sich im Steinsaal des Kanzleramts ein zweites Mal den Medien stellt, schaut er schon zufriedener. Im Rahmen der Sitzung war es zu einer Aussprache mit Kern über dessen morgendliche Aktion gekommen, berichtet Mitterlehner: „Ich bin mit dem Bundeskanzler übereingekommen, dieses Format wird die Ausnahme sein.“
Inzwischen ist es schon nach elf Uhr, Zeit für den letzten Akt: den Auftritt der Regierungskoordinatoren Drozda (SPÖ) und Mahrer (ÖVP). Sie dürfen im Gegensatz zu Kern und Mitterlehner sitzen, assistiert von ihren Pressesprechern. Betont nüchtern gehen die Koordinatoren noch einmal die Beschlüsse des Ministerrats durch. 27Tagesordnungspunkte seien behandelt worden, davon fünf Tischvorlagen, erklären sie. Sie verweisen darauf, dass ab sofort Ministerratsbeschlüsse veröffentlicht werden. Und erklären noch einmal, dass man im Herbst von der Bildung über Arbeitsmarkt und Start-ups bis zur Deregulierung (zum Zeitplan siehe Grafik auf Seite 1) Akzente setzen will. So soll auch das Thema kalte Progression bei den Steuern angegangen werden.
Kanzler und Vize gemeinsam besser?
Drozda und Mahrer betonen, dass sie das neue Format nach dem Ministerrat, also ihren Auftritt, für eine sinnvolle Neuerung erachten. Mahrer lässt aber durchblicken, dass er die getrennten Auftritte von Kern und Mitterlehner suboptimal findet: „Ich bin persönlich der Meinung, dass es gut ist, wenn der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler gemeinsam vor die Öffentlichkeit treten“, sagt Mahrer. Drozda erklärt darauf, seine persönliche Meinung lieber für sich zu behalten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2016)