Regierungsklausur: Finanzspritze mit Nebenwirkungen

Klausurtagung
Klausurtagung(c) Michaela Bruckberger
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Die Sozialversicherungen erhalten in drei Jahren insgesamt 600 Millionen Euro Steuergeld. Über die genauen Bedingungen gibt es aber neue Differenzen zwischen SPÖ und ÖVP.

Wien. Chaos pur herrscht Montagmittag zum Auftakt der Regierungsklausur in Salzburg. Beinahe minütlich ändern sich die Themen, die man zwei Stunden später der Öffentlichkeit präsentieren will. Dabei ist schon die Auswahl der möglichen Themen beschränkt: Kindergeld, Krankenkassenreform, Änderungen im Asylrecht und Verwaltungsreform.

Diejenigen, die glauben, es sei ohnehin alles unter Dach und Fach, es gehe nur noch um den besten Zeitpunkt der Präsentation, die irren. Auch die Regierungskoordinatoren – Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) und Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ) – richten bei ihren Verhandlungen am Vormittag wenig aus. Die Minister rätseln selbst, wann was und vor allem auch wie vereinbart werden soll und ob schon geschlossene Kompromisse halten.

Die Klausur startet schließlich mit dem offenbar heißesten Thema, der seit Jahren anstehenden Krankenkassensanierung. Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) legen ihre Einigung dar, die sie schon vor einer Woche erzielt haben. Was an der prinzipiellen Skepsis von Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) nichts ändert. Woraufhin die SPÖ ihre Taktik ändert und nicht mehr das Kindergeld, sondern das novellierte Ökostromgesetz zum Junktim macht. Das aktuelle SPÖ-Interesse: eine Fernwärmeförderung – nicht uninteressant für das rot regierte Wien.
Anlaufprobleme, die Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Pröll am Nachmittag nicht davon abhalten, die Lösungskompetenz der Regierung in den höchsten Tönen zu loben.

Sparplan für die Krankenkassen

Denn, so Faymann: „Es gibt nicht nur den Präsidenten der Vereinigten Staaten, sondern auch noch viele andere Regierungschefs, deren Gesundheitssystem nicht so gediehen ist.“ Pröll sind vor allem die Schulden des Systems zu hoch: „Es ist die Verantwortung der Kassen, so zu wirtschaften, dass es sich ausgeht.“ Deshalb suchte man seit Monaten nach Ideen, um den Kassen das bei der Regierungsklausur in Sillian versprochene Steuergeld nicht bedingungslos zu geben.

Die aktuelle, kaum veränderte Lösung: Die Kassen bekommen ab 2010 dreimal jährlich 150 Millionen Euro, um einen Teil ihrer Schulden (1,2 Milliarden Euro) abzubauen. 45 Millionen Euro haben sie schon heuer erhalten. 100 Millionen Euro fließen 2010 zusätzlich aus einem Kassenstrukturfonds, wenn die Sozialversicherungen versprochene „Kostendämpfungen“ umsetzen. Der verbindliche Sparplan: 2010 müssen 197 Millionen Euro gespart werden, im Jahr darauf 361 Millionen, 2012 sollen es 510 Millionen sein, 2013 sogar 657 Millionen Euro.

Freilich tauchen prompt neue Differenzen auf. Die SPÖ sieht nur die 100 Millionen an die Bedingungen gebunden, Pröll korrigiert aber – nach der Präsentation – und knüpft auch die 450 Millionen daran. Minister Stöger rechnet dennoch damit, das dieses Geld fließen wird.

900 Millionen bleiben strittig

Noch etwas bleibt ungeklärt: Für Finanzminister Pröll sind die 900 Millionen Euro ganz und gar vom Tisch, die von den Sozialversicherungen zusätzlich als Entgelt für jahrelang vom Bund bestellte, aber nicht bezahlte Leistungen gefordert werden. Stöger sieht das mitnichten so. Es sei dezidiert vereinbart, dass der Strukturfonds weiter gefüllt wird, wenn die Kassen ihr Sparprogramm und zusätzlich Maßnahmen zur Verwaltungsvereinfachung erfüllen. Womit die geforderten 900 Millionen sukzessive bezahlt würden.

Konter des Finanzministeriums: Eine Dotierung des Fonds sei jeweils per 1. Jänner fixiert, das sei richtig. Sie müsse aber nicht immer 100 Millionen Euro betragen, es könne auch nur ein Cent pro Jahr sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2009)

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