Stögers Dauerproblem Mindestsicherung

(c) Stanislav Jenis
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Wenn der Bezug des Sozialgeldes zum Dauerzustand wird: Die Verschärfung der Lage in Wien durch Asylberechtigte bringt den Sozialminister unter Druck.

Der steirische SPÖ-Chef Michael Schickhofer versteht nicht, warum eine Einigung zur Neuregelung der Mindestsicherung ab 2017 in der Bundesregierung so schwierig ist. Schließlich gebe es in der Steiermark, wo SPÖ und ÖVP in Koalition sind, eine Lösung mit Kürzung des Sozialgeldes für tatsächlich Arbeitsunwillige. Es müsse aber einen „sozialpolitischen Konsens“ geben, meint er Richtung Bundes-ÖVP, dass es für Menschen, die ohne Job in Not seien, Unterstützung gebe: „Ich will nicht, dass der Textilarbeiter mit drei Kindern massiv getroffen ist“, betont Schickhofer im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“.

Genau das befürchtet jedoch sein SPÖ-Parteikollege, Sozialminister Alois Stöger: Die seit Monaten fast gebetsmühlenartig vorgebrachten Vorschläge der ÖVP, die auf eine Kürzung der Mindestsicherung für nicht integrations- und arbeitswillige Asylberechtigte abzielen, würden letztlich zu einem Sozialabbau für Österreicher führen.

Schon seit Jänner wird zwischen Bund und Ländern und innerhalb der Koalition über Verschärfungen bei der Mindestsicherung verhandelt. Bisher ohne Erfolg. 284.000 Bezieher gab es im Vorjahr, allein rund 180.000 davon in Wien. Der ÖVP ist die günstigere Regelung in der Bundeshauptstadt ein Dorn im Auge. Denn das mache es für Asylberechtigte attraktiver, nach Wien zu ziehen, statt in einem Bundesland Arbeit anzunehmen.


Wasser auf die Mühlen der ÖVP. Beim monatelangen Konfliktpunkt, die Mindestsicherung für Familien mit 1500 Euro zu begrenzen, ist Vizekanzler ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner der SPÖ entgegengekommen: Wohnkosten könnten darüber hinaus als direkte Sachleistung übernommen werden. Stöger ist dann mit einem „Deckel, wenn Sie so wollen“, einverstanden. Umso lauter trommelt allen voran ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka, Stöger müsse Wien zu strengeren Regeln zwingen.

Eine Studie im Auftrag der Stadt Wien ist nun Wasser auf die Mühlen der ÖVP, die generell beklagt, es gebe zu wenig Anreiz, aus der Mindestsicherung ins Erwerbsleben zu wechseln. Laut Nachrichtenmagazin „Profil“ zeigt die Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), dass der Bezug dieses Sozialgeldes seit 2010 für immer mehr Menschen zum Dauerzustand wird. Im Jänner 2015 waren zwei Drittel länger als 13 Monate durchgehend auf Mindestsicherung angewiesen. Was die Alarmglocken läuten lässt: 45 Prozent, die den Absprung ins Arbeitsleben schafften, waren nach zwei bis drei Monaten erneut auf Unterstützung angewiesen. Nur neun Prozent schaffen den Weg in eine dauerhafte Beschäftigung (über ein Jahr), müssen den Lohn zum Teil aber weiter mit der Mindestsicherung aufstocken.

Immer mehr Asylberechtigte erhalten Mindestsicherung, diese Flüchtlinge sind auch der Hauptgrund für den Anstieg der Zahl der Bezieher. Laut Prognose wird in Wien für 2017 ein Zuwachs der Bezieher von immerhin 35 Prozent gegenüber 2014 erwartet.


Wehsely doch für Kompromiss? Vor diesem Hintergrund signalisiert Wiens Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) Kompromissbereitschaft bei der Mindestsicherung: „Man kann die Frage stellen, welche Integrationsangebote angenommen werden müssen, um die volle Mindestsicherung zu erhalten“, erklärt sie im „Profil“. Und: „Für die besondere Situation in der Mindestsicherung durch die Flüchtlinge müssen neue Antworten gefunden werden.“ Im ORF-Radio bekräftigte sie freilich ihre bisherige Position: Einschnitte könne sie sich nicht vorstellen, aber verstärkt Sach- statt Geldleistungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2016)

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