Bevor die Musiker die Gastgeschenke einpacken

(c) Clemens Fabry
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Im Gefolge seiner ersten Wiener Auftritte geht das Orchester unter Zubin Mehta auf Fernosttournee.

Am kommenden Samstag ist in Tokio ein Galakonzert avisiert, bei dem es zu einer Wiederbegegnung zwischen den Wiener Philharmonikern und Seiji Ozawa kommen wird. Im Übrigen steht die Fernostreise unter der Leitung von Zubin Mehta und – in Korea – unter Chung Myung-whun. Das erste Abonnementkonzert, das erste außerordentliche Konzert im Musikverein und die heutige Soiree fungierten und fungieren quasi als Generalproben für diese Reise; und ein wenig improvisiert mutet zumindest am Freitagabend noch manches an, nicht nur, weil die Bläser im – von Ferruccio Busoni nach dem Finale der Oper arrangierten – Ausklang der „Don Giovanni“-Ouvertüre einen kapitalen Schmiss hinlegten.

Auch Debussys „La Mer“ wirkte diesmal eher unvorbereitet, beiläufig wie der Auftritt mancher Musiker, die auf das Musikvereinspodium schlenderten, während die versammelten Kollegen schon gestimmt hatten. Daheim müssen aber die Tischmanieren vielleicht nicht so akribisch eingehalten werden wie bei noblen Einladungen. Man ist da ja quasi unter sich, nicht zuletzt, wenn ein Wahlwiener wie Zubin Mehta am Dirigentenpult steht.

Auf d'Nacht in Osaka wird dann ja wohl auch Debussys Meeresbrandung fließender ankommen, werden die Klangblöcke nicht so unverbunden nebeneinanderstehen wie beim Erstversuch am heimischen Strand.

Vom selbigen führt man auf die Fernostreise auch Wiens Parade-Pianisten Rudolf Buchbinder mit – und der brachte am Samstagnachmittag für Johannes Brahms' Erstes Klavierkonzert auch den gehörigen Ordnungssinn mit. Und die Kraft, versteht sich, die nötig ist, um die gewaltigen hie und da geradezu mit brachialer Wirkung hereinbrechenden Klangmassen im ersten Satz als Solist ohne erkennbare „zwangvolle Plage“ und „Müh' ohne Zweck“ zu durchdringen.

Überdies gelang es Buchbinder im Mittelsatz, die philharmonischen Streicher nach und nach zu behutsamer Tongebung zu inspirieren. Zumindest wirkten die langgezogenen Klangfelder nach den pianistischen Interventionen ruhiger, vor allem stimmungsvoller modelliert als am noch etwas nonchalant formulierten Beginn des Satzes. Das Eis war gebrochen, das Finale geriet sogar zum furiosen Virtuositätsbeweis: Pianist und Orchester spielten sich die Pointen zu – und Zubin Mehta hatte dann merklich seinen Spaß daran.

Bei Franz Schuberts Großer C-Dur-Symphonie war das am Vorabend nicht ganz so. Man hatte sich, was die Orchester-Aufstellung anlangt, eine besondere Überraschung ausgedacht – mehr dazu in den heutigen „Zwischentönen“. Doch blieb man dem wienerischen Meister gegenüber eher distanziert; beinah alles saß am rechten Platz, die Atmosphäre aber verdichtete sich kaum; selbst die Generalpause nach dem Höhepunkt des langsamen Satzes quittierte das Auditorium diesmal nicht mit Atemlosigkeit, sondern mit vielfältig aufgefächerten Husten-Attacken: Die Saison hat also wirklich begonnen; anderswo feiert man hoffentlich dennoch auch philharmonische Feste. Sie seien dem Publikum in Fernost gegönnt – und unseren Musikern, die unter Riccardo Muti am 29. Oktober dann wieder ihre Wiener Plätze einnehmen – um unter anderem wieder Schubert zu spielen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2016)

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