Faymann: "Müssen bei Integration etwas tun"

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Nach der Niederlagenserie der SPÖ in den Bundesländern will die SPÖ einen neuen Ausländerkurs. Bundeskanzler und SPÖ-Chef Faymann sprach beim Ministerrat von einer "Politik der Integration, der Regeln und der Ordnung".

WIEN. Am frühen Dienstagmorgen erreichte ein Radfahrer in Jeans und schwarzem Shirt das Bundeskanzleramt auf dem Ballhausplatz, den Kopf durch einen Helm geschützt. Die Wachebeamten salutierten, als der Mann die Einfahrt passierte, denn es handelte sich um den Chef höchstpersönlich: Knapp 40 Minuten zuvor war Werner Faymann von daheim in Liesing losgetreten, auf einem dunkelblauen Citybike, das er anlässlich des „autofreien Tages“ aus der Kanzlergarage geholt hatte.

Faymann duschte, schlüpfte in einen dunklen Anzug, leitete die Ministeratssitzung und referierte danach im Pressefoyer über den Beschluss zum Kinderbetreuungsgesetz („Die Presse“ berichtete) und die Notwendigkeit einer internationalen Finanzmarktaufsicht. Das eigentliche Thema kam erst später zur Sprache, und zwar durch mehrmalige Journalistennachfragen. Es betraf weniger den Kanzler Faymann als vielmehr den SPÖ-Chef, was seinem Sitznachbarn, Vizekanzler Josef Pröll, bisweilen zu einem schadenfrohen Lächeln gereichte.

Faymann und die Wertehaltung

Doch Faymann ließ sich nicht lange ein auf das katastrophale Landtagswahlergebnis der SPÖ in Vorarlberg (Absturz auf 10,1Prozent und damit auf Platz vier) und die Konsequenzen daraus: Seine Partei beschäftige sich regelmäßig mit Integrationsproblemen, die sich die FPÖ zunutze machte, um ihren Stimmenanteil in Vorarlberg auf 25,3 Prozent zu verdoppeln. In erster Linie ortet der Regierungschef nämlich ein Kommunikationsproblem in seiner Partei: Die Bürger müssten sehen, „dass die SPÖ eine Politik der Integration, der Regeln und der Ordnung will, aber keine Hetze zwischen Menschengruppen“. Was jedenfalls nicht infrage komme, sei eine Korrektur der „sozialdemokratischen Wertehaltung“, versprach Faymann energisch.

Doch seit der Klubklausur am Montag in Linz ist mehr oder weniger in Stein gemeißelt, dass die SPÖ einen neuen Ausländerkurs einschlagen wird („Die Presse“ berichtete in der Dienstag-Ausgabe). Bloß, wie der Spagat zwischen Härte auf der einen und Humanität auf der anderen Seite gelingen könnte, darüber soll sich nun Verteidigungsminister Norbert Darabos den Kopf zerbrechen, ein Experte in Sachen Asyl, Fremdenrecht und Integration. Denn bis zum SPÖ-Parteitag im kommenden Jahr wurde Darabos damit beauftragt, ein Integrationskonzept zu erarbeiten.

Die ersten Vorgaben machte Faymann am Dienstag via Pressefoyer, auch wenn er das Wort „Kurswechsel“ partout nicht in den Mund nehmen wollte: Im Schulbereich müssten alle Kinder gefördert werden, unabhängig davon, ob sie Migrationshintergrund hätten oder nicht. Aufgabe der Kommunalpolitik sei es, auf Probleme im Wohnbereich einzugehen. Sprachdefizite müssten wiederum auf allen Ebenen – von der Schule bis zum Gemeindebau – ausgeglichen werden.

Die Notwendigkeit einer offensiven Integrationspolitik verhehlte am Dienstag kaum ein Regierungsmitglied der SPÖ. Sozialminister Rudolf Hundstorfer räumte ein, „dass wir das Thema nicht immer so erkannt haben, wie wir das wollten – oder wir wollten es nicht erkennen. Fakt ist: Hier muss man einfach etwas tun.“ Unterrichtsministerin Claudia Schmied will in der Schule ansetzen: „Deutschkurse, Deutschkurse, Deutschkurse.“ Darabos sieht Handlungsbedarf bei der Integration im Vorschulbereich.

Pröll warnt die SPÖ

Der Vizekanzler, gefestigt durch die erneute absolute ÖVP-Mehrheit in Vorarlberg (50,8 Prozent), versandte in der Zwischenzeit Warnsignale an den Koalitionspartner: „Durch ein Landtagswahlergebnis dürfen wir uns in der Regierungsarbeit weder hemmen noch stören lassen“, sagte Pröll. Er selbst war übrigens mit dem Dienstwagen und nicht per Rad ins Bundeskanzleramt gekommen. Leitartikel, Seite 31

AUF EINEN BLICK

Nach der Niederlagenserie der SPÖ in den Bundesländern (zuletzt nur mehr Platz vier in Vorarlberg; zugleich starke FPÖ) will die SPÖ nun einen neuen Ausländerkurs einschlagen. Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann sprach am Dienstag von einer „Politik der Integration, der Regeln und der Ordnung“. Verteidigungsminister Norbert Darabos wurde bis zum Parteitag 2010 mit einem Integrationskonzept beauftragt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2009)

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