ÖVP: Mitterlehner spricht sich Mut zu

GRUNDSATZREDE 'WIRTSCHAFTSLAGE OeSTERREICHS': MITTERLEHNER
GRUNDSATZREDE 'WIRTSCHAFTSLAGE OeSTERREICHS': MITTERLEHNERAPA/HERBERT NEUBAUER
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Parteichef Reinhold Mitterlehner lud in die Aula der Wissenschaften. Wofür? Das Publikum erlebte keine Wahlkampfrede. Sondern ein sachliches, aber trockenes Plädoyer für die Volkspartei.

Wien. 2013 verlief nicht unbedingt alles nach Plan. Der damalige ÖVP-Chef, Michael Spindelegger, hatte zur großen Österreich-Rede geladen. Eine Tradition in der Volkspartei: Einmal im Jahr hält der Parteiobmann eine Ansprache zur Lage der Nation.

Immerhin: 1200 Menschen waren dafür in die Hofburg gekommen– Parteifreunde und -feinde, aber auch Vertreter aus der Wirtschaft. ÖBB-Chef Christian Kern zum Beispiel. Am Ende stahl aber dann doch Spindeleggers Vorredner, Sebastian Kurz, seinem Parteichef die Show.

Heute, drei Jahre später, ist vieles anders. Spindelegger sitzt als Zuhörer im Publikum. Christian Kern als Regierungschef im Kanzleramt. Und Reinhold Mitterlehner steht als Obmann auf dem Podium.

Und trotzdem, eine Sache ist noch gleich geblieben: Sebastian Kurz gilt immer noch als nächster Kandidat für den Chefsessel. Doch dieses Mal verhält er sich bewusst unauffällig.

An diesem Donnerstagvormittag geht es um Mitterlehner. Kurz vor dem Nationalfeiertag am 26. Oktober will er das „Land nach vorn bringen“, wie die Rede tituliert ist. Alternatives Motto: „Mut gegen Angst“. Und bei diesem Stichwort legt Mitterlehner schon los: „Viele Bürger haben schlicht und einfach Zukunftsängste: Wie geht es mit mir weiter?“ Diese Furcht wolle man ihnen nehmen.

„Muss auf die Uhr schauen“

Zwei Mal entschuldigt er sich beinahe beim Publikum: „Ich bedanke mich bei allen, die gekommen sind. Sie haben sicher auch andere Termine“, sagt er zu Beginn. Später meint er noch einmal: „Ich muss auf die Uhr schauen. Andere haben noch wichtige Termine.“ Möglicherweise soll es bescheiden klingen. Es wirkt aber eher unsicher.

Und tatsächlich lässt er das Publikum in der Aula der Wissenschaften etwas ratlos zurück, warum es denn gekommen ist: Mitterlehner stellt in den ersten Minuten klar, dass es kein Angriff auf den Koalitionspartner werden soll: „Heute werden Sie von mir nicht Simmering gegen Kapfenberg erleben.“ Er behält recht. Große Rundumschläge gegen die SPÖ bleiben dieses Mal tatsächlich aus.

Aber wenn es keine Wahlkampfrede ist, was ist es dann? Vielleicht eine Motivation für Funktionäre, in Zeiten des Erfolgs der FPÖ stärker an die eigene Partei zu glauben? Dafür ist zu wenig Pathos, zu wenig Emotion in seiner Ansprache. Am ehesten ist es noch eine solide, nüchterne Zusammenfassung der Themen, die Mitterlehner wichtig sind. Ohne Populismus, aber dafür mit viel Sachlichkeit.

Ein Puck für Ceta

Das kann man ihm anrechnen. Aber trotz allem bleibt es etwas zu trocken. Erst nach den ersten dreißig Minuten seiner Ansprache scheint sich Mitterlehner selbst in seiner Rede wohlzufühlen. Er, der sonst immer einen Witz da und dort einbauen will, hält sich zunächst noch stur an seine Redevorlage.

Dann, als Mitterlehner einen Puck hervorholt, wird er etwas lockerer. Dass er die schwarze Scheibe eingesteckt hat, ist natürlich kein Zufall. Sie wird gern in Kanada verwendet, zum Eishockeyspielen, erklärt er. Dieser Puck ist made in the EU. Ein Symbol dafür, dass sich Österreich nicht gegen das europäische Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) wehren soll, erklärt Mitterlehner. Der kanadische Botschafter, Mark Bailey, sitzt im Publikum und nickt zustimmend. Die Zuhörer klatschen spontan. Zum ersten Mal.

Mitterlehner hat sich Themen angenommen, die zwar per se spannend sind, sich rhetorisch aber nicht in fünf Minuten abhandeln lassen. Er spricht vom „Nudging“ in der Politik, also der Einsetzung von subtilen Anreizen, vom Flaf, dem Familienausgleichsfonds, kritisiert das „golden plating“, also die musterknabenhafte Übererfüllung von internationalen Verpflichtungen genauso wie die „post-factual democracy“, also das Phänomen, dass Fakten keine große Rolle mehr spielen. Der rote Faden, der alles verbindet: Es brauche „Mut, nicht Angst“, um diese Themen auch anzugehen.

Standing Ovations am Ende

Nach rund eineinhalb Stunden dürfen die 500 Gäste applaudieren. Am Schluss gibt es sogar Standing Ovations, wenn auch anfangs nur zögerlich. Vielleicht hat Mitterlehner diese Rede auch für sich selbst gehalten. Um zu beweisen, dass er immer noch der Chef ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2016)

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