Der Poker um 81 Milliarden Euro

BANKOMATGIPFEL IM FINANZMINISTERIUM: SCHELLING
BANKOMATGIPFEL IM FINANZMINISTERIUM: SCHELLINGAPA/HELMUT FOHRINGER
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Im Finanzausgleich wird die Verteilung der Steuereinnahmen neu geregelt. Der große Wurf wird es nicht, die Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bleibt kompliziert wie bisher.

Am Sonntag ist es so weit: In Wien tagen die Chefverhandler zum Finanzausgleich. Falls sie sich einig werden, legen sie fest, wie die Steuereinnahmen des Landes in den kommenden Jahren auf die Gebietskörperschaften Bund, Länder und Gemeinden aufgeteilt werden. Es ist also eine weitreichende Entscheidung, die Finanzminister Hans Jörg Schelling und Kanzleramtsminister Thomas Drozda mit den Finanzreferenten der Länder sowie mit den Vertretern von Städte- und Gemeindebund ausmachen. Was genau ist aber der Finanzausgleich?

1 Jahr Verhandlungen

Hans Jörg Schelling wollte sich Zeit lassen: Der Finanzausgleich sollte diesmal nicht einfach fortgeschrieben, sondern mehr als ein Jahr lang von Grund auf neu verhandelt werden, so der Plan des Finanzministers. Sein Ziel: einen aufgabenorientierten Finanzausgleich zu schaffen. Die Steuereinnahmen sollten also nicht einfach pro Kopf verteilt werden, sondern entsprechend den Aufgaben, die Länder und Gemeinden zu erfüllen haben. Doch daraus wird wohl nichts: Zu groß waren die Widerstände in den Ländern, zu komplex ist wohl auch die Materie, um einfache Kriterien für eine aufgabenorientierte Verteilung der Mittel zu finden. So dürfte diese Umstellung nur in einigen Randbereichen wie der Kindergarten-Finanzierung stattfinden – bestenfalls gibt es also einen Einstieg in die Umstellung.

1,3 Prozent eigene Einnahmen der Länder

Der Bund hebt die Steuern ein, die Länder geben sie aus – diese weit verbreitete Meinung lässt sich mit Zahlen untermauern: 29,48 Milliarden Euro standen den Bundesländern im Vorjahr zur Verfügung, nur 390 Millionen oder 1,3 Prozent stammen aus landeseigenen Abgaben. Und auch das wird sich mit dem kommenden Finanzausgleich nicht ändern. Denn auch der Plan, den Ländern bis zu einem gewissen Grad Steuerhoheit zu gewähren und sie beispielsweise einen Teil der Lohnsteuer selbstständig festsetzen zu lassen, war nicht umsetzbar. Und zwar auch deshalb, weil die Bundesländer selbst sich nicht einig waren, ob sie das auch wollen. Lediglich die Gemeinden dürften etwas mehr Spielraum erhalten und die Höhe der Grundsteuer flexibel festsetzen können. Die Kommunen haben aber auch bisher schon viel mehr mit eigenen Abgaben gearbeitet: Rund zwei Drittel des Gemeindebudgets stammen aus Einnahmequellen wie Kommunalsteuer, Grundsteuer, Gebühren und Dienstleistungen.

4-8 Jahre Geltungsdauer

Wie lange ein Finanzausgleich gilt, ist nicht abschätzbar. Meist für vier Jahre abgeschlossen, gilt er oft noch darüber hinaus. Den letzten Finanzausgleich hat Wilhelm Molterer 2008 abgeschlossen, danach wurde er zweimal verlängert.

30,6 Prozent für Länder

Der Finanzausgleich ist und bleibt wohl auch in der neuen Fassung eine hochkomplexe Materie, die nur wenige durchschauen. Der Kern der Vereinbarung: Es gibt einen Schlüssel, nach dem die Steuereinnahmen des Bundes aufgeteilt werden. 11,9 Prozent gehen an die Gemeinden, 20,7 Prozent an die Länder, und 67,4 Prozent behält sich der Bund. Doch schon da gibt es zahlreiche Ausnahmen. So bleibt etwa die Grunderwerbsteuer zu 96 Prozent bei den Gemeinden und der Wohnbauförderungsbeitrag zu 80 Prozent bei den Ländern. In Summe ergibt das eine Aufteilung von 12,3 Prozent für die Gemeinden, 20,1 Prozent für die Länder und 63,7 Prozent für den Bund. Rechnet man nun die vielfältigen Transfers ein, verändert sich das Bild. So werden den Ländern bestimmte Aufgaben, etwa die Gehälter der Landeslehrer, zusätzlich abgegolten. Die Gemeinden tragen zur Finanzierung der Gesundheitsaufgaben der Länder bei, umgekehrt gibt es Sonderfinanzierungen der Länder für die Gemeinden. Rechnet man das mit ein, lautet der Verteilungsschlüssel 9,3 Prozent für die Gemeinden, 35,8 Prozent für die Länder und 54 Prozent für den Bund. Berücksichtigt man auch noch die Abgaben der Länder und Gemeinden und die nicht gemeinschaftlichen Bundesabgaben, verändert sich der Schlüssel abermals: 15,1 Prozent Gemeinden, 30,6 Prozent Länder und 53,6 Prozent Bund.

51 Mio. ohne Steuer

Der Finanzausgleich verteilt auch Steuereinnahmen, die es gar nicht mehr gibt: Als die Gewerbesteuer (51 Millionen Euro) und die Getränkesteuer (85 Millionen Euro) abgeschafft wurden, geschah dies unter der Bedingung, dass die Gemeinden ihre Einnahmen weiterhin vom Bund erhalten. Diese nicht existenten Steuereinnahmen werden nach einem Fixschlüssel verteilt. Von der Gewerbesteuer profitiert vor allem Wien (28 Mio. Euro), von der Getränkesteuer profitieren Tirol (23 Mio.) und Salzburg (12 Mio.).

200 Millionen für die Primärversorgung

Eine Einigung ist bereits bekannt geworden: Für die Primärversorgung im Gesundheitsbereich werden 200 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Primärversorgung bedeutet: Es sollen Gruppenpraxen und Ambulatorien eingerichtet werden, die mit langen Öffnungszeiten und einem breiten medizinischen Spektrum für die Patienten attraktiv sind. Damit sollen die Spitäler und Spitalsambulanzen entlastet werden. 41 Millionen Euro gibt es für den Ausbau der elektronischen Gesundheitsakte Elga.

500 Millionen zusätzlich

Das wird wohl das große Streitthema bei den heutigen Verhandlungen: Die Länder wollen höhere Aufwendungen finanziell abgegolten haben und fordern 500 Millionen Euro zusätzlich. Finanzminister Schelling kann dem nichts abgewinnen, er verweist darauf, dass durch das höhere Steueraufkommen ohnehin schon 1,5 Milliarden Euro zusätzlich verteilt werden. Allerdings haben die Länder gute Argumente für ihre Forderung: Sie sind für jene Bereiche zuständig, in denen es besonders hohe Kostensteigerungen gibt. Dazu gehören beispielsweise die Spitäler, die Pflege oder die Flüchtlings- und Sozialhilfe.

790 Mio. Städtebonus

Der Verteilungskampf findet nicht nur zwischen Bund, Ländern und Gemeinden statt, sondern auch unter den Gemeinden. Derzeit werden die Ertragsanteile nicht nach einem reinen Pro-Kopf-Schlüssel verteilt, sondern nach einem abgestuften Bevölkerungsschlüssel. Größere Gemeinden bekommen deutlich mehr. Das wird damit begründet, dass diese auch viele überregionale Aufgaben übernähmen und höhere Kosten für die Infrastruktur hätten. Dieses Prinzip ist aber nicht unumstritten, Vertreter kleinerer Gemeinden argumentieren, dass ländliche Gemeinden ebenfalls höhere Kosten hätten, etwa beim Wegenetz oder bei Versorgungsleitungen für Wasser und Kanal. Würde man vom Prinzip des abgestuften Bevölkerungsschlüssels abgehen, wären 790 Millionen Euro neu zu verteilen. Den größten Teil davon, nämlich 720 Millionen, würden Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern verlieren. Allein Wien bekommt 490 Millionen Euro aus diesem Titel.

81 Mrd. zu verteilen

Auf 81 Milliarden Euro beliefen sich im Vorjahr die Steuereinnahmen. Es gibt also viel zu verteilen.

2017 in Kraft

Spätestens am Montag soll der Finanzausgleich fixiert sein, am 15. November könnte er in den Ministerrat kommen, im Dezember soll er im Parlament beschlossen werden. Mit 1. Jänner 2017 würde der neue Finanzausgleich in Kraft treten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2016)

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