Gefährliche Sinnkrise: Der unmögliche Spagat der SPÖ

(c) APA (Helmut Fohringer)
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Die SPÖ sucht nach der Niederlagenserie verzweifelt ihren Kurs: Ein Schwenk bei der Ausländerintegration und verstärkte Akzente in der Sozialpolitik bringen der Kanzlerpartei aber neue Probleme.

In der SPÖ herrscht nach der Wahlschlappe in Oberösterreich, die der SPÖ mit Verlusten von 13,4Prozentpunkten das größte Minus bei Landes- und Gemeinderatswahlen der Zweiten Republik gebracht hat, Ratlosigkeit. Von Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann abwärts gibt es in der Partei aber Übereinstimmung, dass Personaldiskussionen allein den Negativtrend nicht stoppen werden. „Ich suche keine Sündenböcke. Aktuell habe ich keine Änderung vor“, sagte Faymann am Montag. Trotz der Wahlschlappen lehnt er eine Kurskorrektur ab: „Zu ändern ist nichts.“ Nicht nur das: Mithilfe eines Treffens mit den Sozialpartnern, das ab nun zweimal jährlich stattfinden soll, wollte er signalisieren, dass die Arbeit trotz der Wahlnachbeben völlig unbeirrt weitergehe.

Doch SPÖ-intern werden nach der roten Niederlagenserie die Rufe nach einem besseren inhaltlichen Angebot der SPÖ immer lauter. Die SPÖ steckt dabei in einem besonderen Dilemma: Denn gerade in Bereichen, in denen sie ihr Profil schärfen will – bei mehr sozialer Gerechtigkeit und konsequenterer Ausländer- und Integrationspolitik – punktet die FPÖ besonders. Für die Kanzlerpartei besteht damit Gefahr, dass sie den Freiheitlichen erst recht Wähler zutreibt.

Bei der Landtagswahl in Oberösterreich holte die FPÖ am Sonntag nach zwei Wählerstromanalysen immerhin ein Drittel ihrer 131.000 Stimmen von der SPÖ. Das war der zahlenmäßig stärkste Austausch von Wählern innerhalb der kandidierenden Parteien.

Wer ist die sozialere Partei?

In der SPÖ erhöht sich jedenfalls der Druck auf Faymann, angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit Umverteilungs- und Sozialthemen zu forcieren und damit die Kanzlerpartei nach links zu rücken. Allerdings versucht sich die FPÖ unter Parteiobmann Heinz-Christian Strache zunehmend, als neue „soziale“ Partei, die zumindest für österreichische Staatsbürger höhere staatliche Leistungen fordert, zu etablieren. Das Hauptproblem der SPÖ: Sie wird als Regierungspartei von ihrer Stammklientel daran gemessen, ob sie gerade in Krisenzeiten ihre Forderungen – beispielsweise höhere Abgaben auf Vermögen oder ein höheres Arbeitslosengeld – auch umsetzen kann. Dazu kommt, dass viele Arbeitnehmer das Gefühl haben, dass die SPÖ-geführte Regierung trotz der bereits geschnürten Konjunktur- und Arbeitsmarktpakete zu wenig gegen die Arbeitslosigkeit tut.

Bemerkenswert ist: Mittlerweile wird auch die ÖVP aufgrund ihrer Wirtschaftskompetenz für Arbeiter immer attraktiver: Bei der Oberösterreich-Wahl war die ÖVP in dieser Gruppe sogar knapp vor der SPÖ.

Noch größer ist das Dilemma der SPÖ in der Ausländer- und Integrationspolitik. Hier bemüht sich die Kanzlerpartei, nun einen Spagat zwischen Law-and-Order-Kurs und liberaler Ausländerpolitik zu schaffen: Härte gegen Ausländer, die sich nicht an die „Spielregeln“ in Österreich halten, zugleich verstärkte Bemühungen für Integration. So werden morgen, Mittwoch, neue Angebote für die Integration jugendlicher Migranten auf dem Arbeitsmarkt vorgestellt. Mit der Festlegung, dass es bis zum SPÖ-Parteitag 2010 ein Integrationskonzept geben soll, bestätigt die SPÖ allerdings, dass es in diesem Bereich Schwierigkeiten gibt – was wiederum der FPÖ, die eine noch strengere Linie verlangt, Auftrieb gibt.

Das nächste Problem: Der SPÖ laufen die Jugendlichen davon. In Oberösterreich war die ÖVP bei den unter 30-Jährigen mit 41Prozent voran, dahinter kam aber schon die FPÖ mit 29 Prozent, die SPÖ lag hingegen abgeschlagen mit zwölf Prozent nur mehr auf Platz vier. Nur bei den Pensionisten war die SPÖ noch stärkste Kraft.

Für Zündstoff in der SPÖ ist gesorgt: In der Regierungsmannschaft sieht man ein Hauptproblem darin, dass Erfolge der Partei – darunter das Vorziehen der Steuerreform auf 2009, der Gratiskindergarten oder kleinere Klassen in den Schulen – der Bevölkerung zu wenig „verkauft“ worden seien. Faymann will nun bei der Schulreform, bei der Bekämpfung der Kriminalität durch mehr Polizisten (bei der die ÖVP mit Innenministerin Maria Fekter ebenso Konkurrenz ist wie die FPÖ) und bei Arbeitsmarktmaßnahmen Dampf machen. Ohne auf Totalkonfrontation mit der ÖVP („Ich bin der Allerletzte, der Streit sucht“) zu gehen.

Faymann ohne Kanzlerbonus

Diese Nachgiebigkeit gegenüber der ÖVP wird Faymann von Genossen angekreidet. Faymann wird nicht als Chef der Regierung wahrgenommen: Kanzlerbonus hat er nach einer aktuellen Umfrage für dem Sender ATV keinen. Faymann liegt bei der Kanzlerfrage nur mehr bei 20 Prozent, Vizekanzler Josef Pröll käme bei einer Direktwahl auf 26 Prozent.

SPÖ-intern tauchen zudem Divergenzen auf, wohin die Reise tatsächlich gehen soll. So wird in Gewerkschaftskreisen Faymanns Position bei der Umverteilung und Vermögensbesteuerung (der SPÖ-Chef lehnt etwa die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer ab) als nicht klar genug angesehen. Allerdings gibt es in der SPÖ auch Stimmen – etwa aus Vorarlberg –, die eine bloße Fortsetzung des bisherigen Kurses nicht als Ausweg sehen. Es gelte, Dogmen zu hinterfragen und eine Runderneuerung vorzunehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2009)

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