Koalition: „. . . reicht noch nicht“

Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner.
Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner.(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Bundes- und Vizekanzler ziehen Bilanz über das ablaufende Jahr – in das Christian Kern ja quer eingestiegen ist. Ihr Bekenntnis: Österreich braucht weitere Veränderungen.

Wien. „Wir haben gemeinsam etwas weitergebracht, aber das reicht uns noch nicht. Wir werden uns noch mehr anstrengen, im Interesse unserer Heimat.“ Mit diesen Worten richten sich Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner in einem Schreiben an alle Chefredakteure.

Und es wird eine Bilanz der Regierungsarbeit beigelegt. Diese hätte am Dienstag nach dem Ministerrat präsentiert werden sollen. Wegen des Anschlags auf einen Berliner Weihnachtsmarkt wurde das Programm geändert. Kern und Mitterlehner gaben Stellungnahmen zu Deutschland ab. Die Bilanz blieb unveröffentlicht. In dem gemeinsamen Schreiben betonen nun Kern und Mitterlehner, bei allem Reformbedarf sei Österreich ein erfolgreiches Land mit vielversprechender Zukunft. Es brauche aber weitere Veränderungen. Österreich stehe vor großen Herausforderungen und neuen Chancen. Und wörtlich: „Die Welt verändert sich dramatisch – Digitalisierung und Globalisierung sind nur zwei Schlagworte. Der Wandel hat ein Tempo wie noch nie in der Geschichte der Menschheit.“

Die Regierungsspitze wirft auch einen Blick Richtung 2017. Und verspricht, sich auf folgende Bereiche zu konzentrieren: Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Investitionen, Bildung und Ausbildung, Wissenschaft und Innovation sowie soziale und innere Sicherheit. All das eingebettet in solide Finanzen, wie angemerkt wird. Die wichtigsten Punkte der Regierungsbilanz 2016:

Finanzen

Dominierend waren die Verhandlungen über den – ein sperriger Begriff – Finanzausgleich, die Aufteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bis zum Jahr 2021 also. „Einstieg in den Umstieg“ nennt die Koalition den Pakt. Darin enthalten sind von der Ärztekammer auch nach dem Beschluss im Parlament heftig bekämpfte Vorhaben, das Einbremsen der Steigerung von Ausgaben für den Gesundheitsbereich sowie das Schaffen von Primärversorgungszentren, um den Ansturm auf die Spitalsambulanzen einzudämmen. Ach ja, natürlich vergisst die Regierung in ihrer Bilanz nicht, eine andere Einigung zu erwähnen: jene mit den Heta-Gläubigern zum Rückkauf von Anleihen, für die das Land Kärnten haftet.

Sicherheit, Integration

Am Wort Obergrenze kommt selbst das siebenseitige Papier der Regierung nicht herum. Ende Jänner wurde das Asyl- und Sicherheitspaket beschlossen, das die Möglichkeit zu einer Sonderverordnung eröffnet. Dann nämlich, wenn „die Zahl der zugelassenen Asylverfahren die kapazitätsorientierte Obergrenze zu überschreiten droht“. Und die Regierung führt auch das Schließen der Westbalkan-Route auf ihrer Haben-Seite der Jahresbilanz an.

Bildung

Im Bildungsbereich bleibt noch viel zu tun. Von der am 17. November 2015 paktierten Bildungsreform ist bisher nur das sogenannte Schulrechtspaket in den Schulen angekommen. Es erleichtert unter anderem den Verzicht auf Ziffernnoten in den ersten drei Volksschulklassen. Das Sitzenbleiben in den ersten Volksschuljahren ist damit nahezu abgeschafft. Außerdem einigte man sich auf die politisch heiß diskutierten Sprachstartkurse. Flüchtlingskinder müssen also vor Aufnahme in die Regelklasse Deutsch lernen. Die von Kern geholte neue Bildungsministerin, Sonja Hammerschmid (SPÖ), konnte sich den Großteil des Geldes sichern, das durch die Reform der Bankenabgabe locker wurde. 750 Millionen Euro werden bis zum Jahr 2025 in den Ausbau der Ganztagsschule gesteckt. 50 Millionen Euro gehen in eine Innovationsstiftung für Bildung. Auch für den Ausbau der FH-Studienplätze und für die Nationalstiftung wurde Geld lockergemacht. Ab Herbst nächsten Jahres wird außerdem die Ausbildungspflicht bis 18 gelten. Jugendliche unter 18 Jahren müssen also entweder weiter die Schule besuchen, eine Lehre absolvieren oder eine andere berufliche Ausbildung machen.

Soziales

Unter diesem Kapitel (Familie fehlt, nebenbei bemerkt) wird die im Frühjahr fixierte Einführung des Kindergeldkontos angeführt. Mehr Transparenz und Anreize für Väter sind darin enthalten. Die Möglichkeit zum Ausbau (ganztägiger) Kinderbetreuungseinrichtungen wurde erweitert. Nicht vergessen wird auf die Erwähnung eines relativ jungen Beschlusses, des Pensionshunderters für alle Pensionisten – er erfolgt zusätzlich zur Erhöhung der Pensionen um 0,8 Prozent.

Forschung

Die erst vor wenigen Wochen beschlossene „Forschungsmilliarde“ findet, wie nicht anders zu erwarten, Eingang in den Text. Genauso wie die 185 Millionen Euro zur Förderung innovativer Start-ups.

Internationales

Neben finanziellen Hilfen in humanitären Angelegenheiten (3,5 Millionen Aleppo, 1,5 Millionen Irak, 500.000 Mazedonien) führt das Regierungspapier die Entsendung von 200 Bundesheersoldaten in den Libanon an. Dort helfen die Soldaten bei Transporten und der Versorgung von Flüchtlingen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2016)

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