Jörg Haider – eine Verklärung

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Sonderausstellung in Klagenfurt: Zwischen Familienalbum und Heldenkult. In drei Teilen widmet sich die Gedenkschau dem Leben des vor genau einem Jahr tödlich verunglückten Landeshauptmanns.

KLAGENFURT. Der Weg zu Jörg Haider führt durch Zentralasien. Beete mit Kriechgewächsen und Stauden aus fernöstlichen Gegenden säumen den weißen Kiesweg zum Klagenfurter Bergbaumuseum. Die in den Stollengängen gezeigten Mineralien- und Gesteinsproben interessieren dieser Tage aber niemanden. Auf 800 Quadratmetern beheimatet das Museum mit seiner 32. Sonderausstellung einen präsumptiven Kassenschlager: „Jörg Haider, 1950–2008“.

In drei Teilen widmet sich die Gedenkschau dem Leben des vor genau einem Jahr tödlich verunglückten Landeshauptmanns. Es ist eine seltsame Mischung aus intimen Familienalbum-Eindrücken, weitgehend unkritischer Heldenverehrung des Politikers und verqueren verschwörungstheoretischen Ansätzen über den Unfall, die den Anspruch der Ausstellungsmacher, „nichts auszulassen, damit der Besucher alles Gezeigte für bare Münze nehmen kann“ (Kurator Gerhard Finding), torpediert.

Daran ist vor allem Finding selbst schuld. Seine zu Beginn „nicht allzu positive Einstellung“ gegenüber Haider scheint im Laufe der Arbeit an der Schau einer relativ ausgeprägten Begeisterung gewichen zu sein: „Ich würde heute seiner Partei beitreten“, gibt er offenherzig zu. Haiders Leben sei nämlich „maßlos falsch interpretiert worden“, findet der Kurator. Und liefert in den ausführlichen Textpassagen neben der reichhaltigen Bebilderung seine Form der Wirklichkeit. „Wir haben nichts ergänzt, nichts weggelassen.“ Na ja.

Die Vergangenheit von Haiders Vater Robert wird schmeichelweich umschrieben („Er versuchte wie Tausende andere auch, sich ab 1933 gegen den Faschismus in Österreich zu wehren.“) Die umstrittenen Aussagen Jörg Haiders vor SS-Veteranen „spielen in der Ausstellung keine Rolle“ (Finding). Der Sager über die „ordentliche Beschäftigungspolitik im Dritten Reich“ wird zwar zitiert, aber als „später hochstilisierte Affäre“ bezeichnet. „Die groben Vorwürfe gegen ihn und seine Politik sind ebenso absurd, wie ihn als rechtsextrem zu bezeichnen“, heißt es an anderer Stelle zwischen Reliquien aus Haiders Arbeitsalltag: dem Schreibtisch aus dem Landhaus, Manuskripten von Aschermittwochsreden, seiner Füllfeder, einem Pass in oranger Ledertasche, einer Pfeife und auch einem Handy.

Im letzten Raum stehen Bilder von den Trauerfeierlichkeiten im Mittelpunkt, und ein lebensgroßes Foto vom Unfallwrack, das an der letzten Wand in Detailaufnahmen zerlegt wird. Hier wärmt die Ausstellung Fragen auf, die die Gerüchteküche anheizen werden. „Bei den Ermittlungen und der Obduktion sind Fehler passiert“, glaubt Finding. Passagen wie „Die kolportierte Höhe der vermeintlichen Alkoholisierung erscheint vielen Menschen unverständlich“ scheinen angesichts der jüngst veröffentlichten Obduktionsergebnisse allerdings widerlegt.

Aufregung um Stollenanlage

In dieser Kulisse gehen die intimeren Momente der Ausstellung unter, allesamt Leihgaben aus dem Familienbesitz: das hölzerne Schaukelpferd „Caesar“, die vom Vater gefertigten Kinderlederschuhe, Hochzeitsfotos, der erste Aktenkoffer oder Fotos mit den beiden Töchtern, der symbolische Rosenstrauß von Claudia Haider. Sie begegne „dem Leben Jörg Haiders, das auch 32 Jahre meines war, hier sehr intensiv“, lobt die Witwe bei der Eröffnung.

Auch der Ort selbst sorgte für Aufregung. Die Stollenanlage, die zwischen 1943 und 1945 in das Klagenfurter Kreuzbergl gesprengt wurde, diente als Bunker gegen die Luftangriffe der Alliierten. Der Kurator hatte die Brisanz zunächst nicht erkannt. „Eine Dummheit“, wie er heute zugibt. Mehr als sechs Jahrzehnte später dienen die düsteren, bisweilen muffig-feuchten Gänge so wieder als Schutzhülle gegen Attacken von außen. „Ich halte es für unerträglich, dass versucht wird, uns ins rechte Eck zu rücken“, schimpft Landeshauptmann Gerhard Dörfler anlässlich der Ausstellungseröffnung.

Die Gedenkfeiern gehen am Sonntag an der Unfallstelle weiter. Ende Oktober soll vor dem Museum eine 3,40 Meter hohe Skulptur (bronzene Hände in schwarzem Granit) enthüllt werden.

Neuer Lebensmensch aufgetaucht Die deutsche „Bild“-Zeitung „outet“ Jörg Haiders angeblichen Liebhaber.

Klagenfurt (red.). Der Kärntner BZÖ-Chef Uwe Scheuch ist empört: „Wir werden uns das keinesfalls gefallen lassen. Die Einleitung rechtlicher Schritte wird bereits geprüft.“ Von einer „pietätlosen und inszenierten Sudelkampagne“ sprach BZÖ-Obmann Josef Bucher. Das seien „Schmuddelberichte“, sagte Landeshauptmann Gerhard Dörfler.

Die deutsche „Bild“-Zeitung titelte gestern: „Jörg Haider: Jetzt packt sein Geliebter aus“. René N., Kellner aus Klagenfurt, war bereits im Vorjahr von deutschen Boulevardmedien um Interviews bestürmt worden, von mehrstelligen Millionenbeträgen als Honorar war damals die Rede. Doch René N. zog es vor unterzutauchen. Nun tauchte er wieder auf.

„Wir hatten acht Jahre lang eine Beziehung“, wird er in der „Bild“ zitiert. Kennengelernt hätte er Jörg Haider am Villacher Kirchtag. Auch am Tag vor dessen Tod, dem 10. Oktober, sei Haider zweimal bei ihm gewesen: von 16 Uhr bis 18.30 Uhr und von 23 Uhr bis Mitternacht. Haider sei vom „Le Cabaret“ in Velden gekommen und erst, nachdem er bei ihm gewesen sei, in den „Stadtkrämer“ gegangen. Dort, so René N., habe bereits Haiders „eifersüchtiger Pressesprecher“ auf ihn gewartet. Stefan Petzner, unzweifelhaft damit gemeint, war an diesem Abend allerdings nicht im Stadtkrämer.

Laut BZÖ würden auch andere Details, die René N. in der „Bild“-Zeitung preisgibt, nicht stimmen: Haider habe nur ein Handy besessen und einen Computer nicht einmal einschalten können. René N. hatte behauptet, Haider habe für ihn ein eigenes Handy gehabt und sie hätten einander jeden Tag E-Mails geschrieben.

Als Haider seine Wohnung in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober verlassen habe, sei er nüchtern gewesen, versichert René N. „Bis heute mache ich mir Vorwürfe.“ Haider wollte, dass er bei ihm übernachte, doch er habe abgelehnt, da er am nächsten Tag ein Vorstellungsgespräch gehabt hätte.

Auch ein Jahr nach seinem Unfalltod ist Jörg Haider Gegenstand breiter medialer Berichterstattung. Vor allem die Umstände seines Todes führen immer wieder zu Spekulationen. Haider galt zwar nicht gerade als sicherer Autofahrer, aber auch nicht als Alkoholiker. Er trank wenig, nippte meist nur. Dennoch verunglückte er mit 1,77 Promille im Blut. Laut Obduktionsbefund könne „eine sich über einige Stunden erstreckende Alkoholisierung“ angenommen werden, zudem könnte Haider kurz vor seinem Tod „begleitstoffarme, hochprozentige Getränke wie z. B. Wodka“ aufgenommen haben.

Streit mit BZÖ: Konkursantrag

Einen Konkursantrag gegen das BZÖ hat nun die Klagenfurter Werbeagentur Circle & Friends gestellt. Wie „Die Presse“ berichtete, liegt diese im Rechtsstreit mit dem BZÖ wegen ausständiger Honorare für das Ewald-Stadler-Fotoshooting für die EU-Wahlkampagne. „Der einzig Zeichnungsberechtigte, Bundesgeschäftsführer Manfred Stromberger, war krankheitshalber ans Bett gefesselt. Die ausstehende Überweisung wird aber Mitte kommender Woche erfolgen“, sagt Stefan Petzner dazu.

AUF EINEN BLICK

Kärnten gedenktam Sonntag dem vor einem Jahr verunglückten Landeshauptmann Jörg Haider. Die Feierlichkeiten beginnen um 11.30 Uhr mit einer Messe in der Klagenfurter Domkirche. Um 13 Uhr lädt das BZÖ zu einer Gedenkfeier an den Unfallort in Lambichl, wo auch ein Marterl enthüllt wird. Die Gedenkveranstaltung des Landes beginnt mit einer Messe in der Stiftskirche Ossiach (18 Uhr). Im Anschluss findet ein Konzert in der Musikakademie Ossiach statt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2009)

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