Asylverfahren: Richter protestieren

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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VfGH-Chef Holzinger fürchtet durch die vielen Asylfälle eine „Entfremdung von den ureigensten Aufgaben“. Die „Schöpfer der Verfassung“ hätten das niemals so gewollt.

Wien. Verfassungsgerichtshof-Präsident Gerhart Holzinger liebt es neuerdings, im Rampenlicht zu stehen. Vor einigen Wochen geriet er mit seiner Forderung nach Volksabstimmungen bei neuen EU-Verträgen in die Schlagzeilen. Am gestrigen Mittwoch nutzte Holzinger den Rechtsschutztag im Innenministerium zum Thema „Asyl, Migration, Integration“, um Kritik an der Politik zu üben.

Sauer stößt dem Verfassungshüter die im Vorjahr erfolgte Novelle auf. Gleichzeitig mit der Einführung des Asylgerichtshofs wurde beschlossen, dass Asylwerbern der Weg zum Verwaltungsgerichtshof (VwGH) verbaut wird. Die Maßnahme dient der Beschleunigung des Verfahrens. Die Folge ist aber auch, dass sich viele Asylwerber statt an den VwGH nun an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) wenden. Bereits jede zweite Beschwerde vor dem VfGH betrifft einen individuellen Asylfall.

Das widerstrebt Holzinger aber: „Der Verfassungsgerichtshof ist nach dem Willen der Schöpfer der Bundesverfassung als ein Gericht konzipiert, dem die Entscheidung grundsätzlicher Rechtsfragen obliegt“, mahnte Holzinger. Jetzt aber müsse man sich mit einer „Vielzahl von Rechtssachen, die jede für sich existenzielle Bedeutung für den betroffenen Menschen hat“ beschäftigen. Und das führe „zu gravierenden rechtsstaatlichen Problemen“. Denn die Asyl-Fälle würden nur selten Verfassungsfragen aufwerfen. Es bestehe daher die Gefahr, dass der VfGH „seinen ureigensten Aufgaben entfremdet wird“, so Holzinger. Da nütze es auch nichts, dass die Regierung dem VfGH zusätzliche Mitarbeiter gewährt hat. „Die verfassungsrichterliche Tätigkeit ist nämlich nicht delegierbar.“

„Welchem Genie fiel das ein?“

Auch Verfassungsrichter-Kollege und Asylexperte Kurt Heller sparte in seinem Vortrag nicht mit Kritik: „Welchem mathematischen Genie ist es eingefallen, dass 14 Verfassungsrichter Asylfälle besser lösen können als die 70 Richter des Verwaltungsgerichtshofs?“, fragte er ins Publikum. Holzinger wiederum forderte ultimativ die „längst überfällige“ Einführung einer generellen zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Diese hätte zur Folge, dass auch Asylwerbern der Weg zum Verwaltungsgerichtshof wieder offen ist.

Während sich die Richter also über die im Vorjahr vollzogene Novelle beschwerten, machte Innenministerin Maria Fekter bereits Werbung für die mit 1. Jänner in Kraft tretenden Neuerungen im Fremdenrecht. Klare Regeln würden Recht und Ordnung sichern, sagte die ÖVP-Politikerin. Österreich sei ein „lukrativer Markt“ für Schlepper. „Es braucht ein System, in dem sich Schleppen nicht rechnet“, betonte die Ministerin.

Causa Zogaj: Fischer-Kritik

Auch der Fall der 17-jährigen Kosovarin Arigona Zogaj schwebte – wenngleich namentlich unausgesprochen – über dem Rechtsschutztag. Man müsse verhindern, dass „Medien von existenziellen Entscheidungen früher erfahren als die Betroffenen“, mahnte Bundespräsident Heinz Fischer in seinen von Ex-VfGH-Chef Ludwig Adamovich verlesenen Grußworten. Die Kronen Zeitung hatte den Zogaj-Bescheid als Erste in Händen gehabt. Fekter wiederum betonte, dass das Asylrecht nicht von Wirtschaftsmigranten missbraucht werden dürfe. 84 Prozent der heuer gestellten Asylanträge seien von den Behörden abgelehnt worden.

AUF EINEN BLICK

Gerhart Holzinger (62)
stößt sich an der im Vorjahr erfolgten Novelle des Asylverfahrens. Da der Weg zum Verwaltungsgerichtshof seither für Asylwerber versperrt ist, wenden sich viele an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Dieser sei aber eigentlich für die Entscheidung grundsätzlicher Rechtsfragen da, so VfGH-Präsident Holzinger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2009)

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