Lehrbuch für Einbürgerungstest ist fehlerhaft

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Experten haben ein Lehrbuch untersucht, das auf die Prüfung zur Erlangung der Staatsbürgerschaft vorbereiten soll. Das Ergebnis: Eine ganze Reihe angeblich historischer Tatsachen ist darin falsch.

Wien. „Die Republik Österreich prüft angehende Staatsbürger auf Dinge, die die eigenen Beamten nicht wissen.“ Andrea Stangl, die für das Unterrichtsministerium Lehrer weiterbildet, ist Mitglied einer Gruppe von Wissenschaftlern, die sich ein Lehrbuch für die Prüfung zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft angesehen hat. Ergebnis der Untersuchung: Eine ganze Reihe angeblich historischer Tatsachen sei schlichtweg falsch.

Seit vier Jahren müssen Ausländer zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht nur Deutschkenntnisse nachweisen, sondern in einem Test auch Fragen zur Geschichte Österreichs und – je nach Ort der Antragsstellung – seiner Bundesländer beantworten. Im Lehrbuch zur Vorbereitung steht: „Kaiser Karl I. verzichtete (. . .) auf den Thron und ging ins Exil.“

„Das ist falsch“, sagt Stangl, die bei ihrer Arbeit von Michael Hauer und Nikolaus Reisinger (alle Universität Graz) unterstützt wurde. Demnach habe Karl I. zwar in der Schweiz gelebt und die Regierungsgeschäfte abgegeben, „niemals“ aber auf Thron verzichtet. „Ein wichtiges Detail, auf das sich die Habsburger bis heute berufen.“

Und die Experten fanden noch mehr. Auf Seite 46 der Unterlage steht, dass im April 1955 in Moskau der „österreichische Staatsvertrag formuliert“ wurde. Was so genau genommen auch nicht stimmt, da dort nur die Rahmenbedingungen für das Vertragswerk besprochen wurden. Stangl: „Tatsächlich wurde bis zu einem Tag vor der Unterzeichnung, am 15. Mai in Wien, darüber gestritten, ob Österreich eine Mitschuld am Zweiten Weltkrieg trage, oder nicht, weshalb der Vertrag in Moskau gar nicht niedergeschrieben werden konnte.“

Weitere Fehler: Die Efta-Gründungsländer Großbritannien und Dänemark werden (trotz Nato-Mitgliedschaft) irrtümlich als „neutral“ bezeichnet, die Industriellenvereinigung fälschlicherweise der Sozialpartnerschaft zugerechnet. Wie das geschehen konnte?

Verknappte Darstellung. Man sei nicht dazu verpflichtet, Staatsbürgerschaftswerbern diese Unterlage überhaupt auszuhändigen, rechtfertigt sich das Innenministerium. Johann Bezdeka, Leiter der Abteilung für Aufenthalts- und Staatsbürgerschaftswesen, sagt, dass man deshalb eine „vereinfachte und verknappte Darstellung“ des Lernstoffs angeboten habe, um es den Anwärtern leichter zu machen. Dabei habe man sich von Experten unterschiedlichster Fachrichtungen, auch aus dem Unterrichtsministerium, bedient. „Schließlich sind wir hier im Innenministerium weder Pädagogen noch Historiker.“

Für Harald Walser, Bildungssprecher der Grünen, „ist die offensichtliche Schlampigkeit, mit der die Unterlage erstellt wurde, typisch für den Umgang des Innenministeriums mit Fremden“. Er will demnächst eine parlamentarische Anfrage über das Zustandekommen des Inhalts einbringen.
Das Innenministerium will die Fehler nach Durchsicht nun beheben.

Gelegenheiten zur Überarbeitung gab es in den vergangenen Jahren genug: Die Fotos der Regierungsmitglieder wurden bei jeder Umbesetzung sofort geändert, die inhaltlichen Fehler aber blieben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17. 01. 2010)

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