Verbotsgesetz: ÖVP auf Distanz zu Vorfeldorganisation

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Der Wiener Akademikerbund tritt für die Abschaffung des Verbotsgesetzes ein. Die Volkspartei schließt Obmann Müller aus. Dieser kann die Aufregung über seine Aussagen nicht nachvollziehen.

Wien. Für gehörige Aufregung sorgte ein am Mittwoch bekannt gewordenes Positionspapier des Wiener Akademikerbundes: Die ÖVP-Vorfeldorganisation fordert darin eine Abschaffung des Verbotsgesetzes, eine „fundamentale Korrektur“ der Fristenregelung, die ersatzlose Streichung des Gleichbehandlungsgesetzes und eine generelle Beendigung der Einwanderung. Man müsse die „effektive Verschiedenheit von Rassen und Völkern anerkennen“, heißt es beispielsweise in dem Papier. Und auch zur Rolle der Frau gibt es eine klare Positionierung: „Wir schätzen den häuslichen Herd höher ein als eine durchschnittliche Berufsausübung.“

Aus der ÖVP ausgeschlossen

Das Positionspapier wurde bereits im November des Vorjahres verfasst und an zahlreiche Institutionen verschickt. Nach der Veröffentlichung in der Zeitung „Österreich“ war in der ÖVP am Mittwoch Feuer am Dach: Die Parteispitze distanzierte sich von dem Schreiben, der Obmann des Wiener Akademikerbundes, Josef M. Müller, wurde aus der Partei ausgeschlossen.

Die Kritik entzündete sich vor allem an der Forderung nach Abschaffung des Verbotsgesetzes: Da war Müller ja noch einen Schritt weiter gegangen als die freiheitliche Präsidentschaftskandidatin Barbara Rosenkranz, die nur Meinungsdelikte straffrei stellen wollte. Eine völlige Abschaffung des Verbotsgesetzes würde bedeuten, dass auch die NSDAP wieder gegründet werden könnte.

In der ÖVP wird betont, dass die Wiener Landesorganisation des Akademikerbundes schon länger ein Problemfall sei. Die dort am Ruder befindliche Truppe sei längst nicht mehr ÖVP-nahe. Gefordert sei nun der Bundesobmann, der den Rücktritt Müllers bewerkstelligen – oder gleich den ganzen Landesverband ausschließen müsse.

Bundesobmann ist ein Prominenter: Heinz Fiedler, ehemaliger Präsident des Rechnungshofes und in der Vergangenheit für etliche Posten – darunter auch als Präsidentschaftskandidat – im Gespräch. Fiedler war am Mittwoch lange Zeit selbst für Parteifreunde nicht erreichbar. Am späten Nachmittag distanzierte er sich via Austria Presse Agentur von seiner Wiener Landesorganisation. Für einen Ausschluss sei es aber noch zu früh. Bei der Delegiertenkonferenz am Freitag werde man die Sache aber vermutlich diskutieren müssen.

„In die Psychiatrie“

Müller selbst kann die Aufregung über seine Aussagen nicht nachvollziehen. Auf sein im Vorjahr verschicktes Papier habe er etliche Antworten bekommen, etwa vom Bundeskanzleramt oder von Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. An seiner Forderung, das Verbotsgesetz abzuschaffen, will er jedenfalls festhalten, sagt Müller im Gespräch mit der „Presse“.

„Bei uns gibt es nicht den kleinsten Hauch einer NS-Gesinnung. Aber wer die Verbrechen der NS-Zeit leugnet, gehört nicht eingesperrt, sondern der Psychiatrie überantwortet.“ Auch die Gefahr der Wiederbetätigung sieht er nicht als ernsthaftes Problem: „Der Staat kann nicht so schwach sein, dass er ein paar Leute nicht aushält.“

Den Ausschluss aus der ÖVP sieht er „mit Schmerzen“. Als Obmann des Akademikerbundes will er freilich nicht zurücktreten, dafür gebe es keinen Anlass. Und dass die Wiener Organisation als Ganzes ausgeschlossen wird, hält er für unmöglich: „Das kann man juristisch gar nicht machen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2010)

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