Neues Gesetz: Ärztezentren statt Spitalsambulanzen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Run aufs Krankenhaus soll durch neue Ärztegesellschaften gestoppt werden. Patienten können mit kürzeren Wartezeiten und besserem Service rechnen.

WIEN. Die größte Strukturreform im Gesundheitswesen steht kurz vor der Umsetzung. In den nächsten Tagen, spätestens nach Ostern, will Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) die gesetzlichen Grundlagen für die Bildung von Ärztegesellschaften in Begutachtung schicken. Damit gäbe es bald eine echte Alternative zu den Spitalsambulanzen. Und die seit Jahren gepredigte Umlenkung der Patienten aus den Krankenhäusern in die Arztordinationen könnte endlich Realität werden.

Der letzte diesbezügliche Versuch – die Ambulanzgebühren – ist unter Schwarz-Blau kläglich gescheitert: an der Administration, letztlich aber auch daran, dass vor allem im städtischen Bereich die Versorgung nicht zu jeder Zeit außerhalb des Spitals gewährleistet wäre. Das ist wohl einer der Gründe, warum nach wie vor mehr als 16 Millionen Ambulanzbesuche pro Jahr in den 270 österreichischen Spitälern gezählt werden.

An den Details des neuen Gesetzes wird noch gefeilt, die Eckpunkte stehen aber. Für die Patienten bedeutet das, dass es mit den langen Warteschlangen in den Spitalsambulanzen an Wochenenden und zu den Tagesrandzeiten sowie bei speziellen Untersuchungen ein Ende haben soll. Denn der Preis für die Ärzte, die in einer GmbH arbeiten, was sie seit Langem wollen, sind unter anderem Auflagen für längere Öffnungszeiten.

In den Ärztezentren, in denen im Übrigen nur Ärzte Gesellschafter sein dürfen, die auch dort arbeiten, gibt es zudem eine freie Arztwahl für die Patienten. Das heißt, dass man entweder immer auf den Arzt seines Vertrauens warten kann oder aber zu jeder Zeit auch von einem anderen Arzt derselben Fachrichtung im Zentrum versorgt wird. Derzeit ist Zweiteres nur schwer möglich, weil der Arztwechsel während eines Quartals nur nach Beschwerde beim Chefarzt möglich ist. Ärztezentren können künftig aber nicht nur ein Zusammenschluss von Medizinern derselben Fachrichtung sein. Möglich ist auch ein Ärztehaus mit Vertretern unterschiedlichster Disziplinen. Den Patienten erspart dies beispielweise bei Gesundenuntersuchungen mühsame Wege.

Was nicht die einzige Ersparnis sein soll. Von den Synergien, die für die Ärzte in einer Praxisgemeinschaft zu erwarten sind, wollen auch die Krankenkassen (und somit ihre Versicherten) profitieren. Ärztegesellschaften bekommen daher keine Einzelhonorare für jede kleine Leistung mehr, sondern Fallpauschalen für ihre Patienten.

Um die Kosten für das Gesundheitssystem tatsächlich zu reduzieren, dürfen die Ärztezentren aber kein Zusatzangebot neben Spitalsambulanzen und aktiven Arztordinationen sein, sondern eine Neuorganisation der bestehenden Versorgung. Dazu ist eine Bedarfsprüfung notwendig. Und die ist heftig umstritten. Das Ministerium kann allerdings auf die Notwendigkeit einer klaren Regelung nach dem sogenannten Hartlauer-Urteil verweisen. Der Unternehmer hat gegen das Verbot, Zahnambulatorien in Österreich betreiben zu dürfen, eine Klage beim EuGH eingebracht. Effekt: Künftig muss es entweder für alle Anbieter im Gesundheitsbereich – Spitäler, Ambulatorien, Ärztezentren und Gruppenpraxen – eine Bedarfsprüfung geben oder für niemanden mehr.

Heikle Machtfrage

Da Letzteres weder realistisch noch handhabbar wäre, gilt es, die heikle Machtfrage zwischen den Ländern als Spitalserhalter, der Sozialversicherung, der Ärztekammer und der Wirtschaftskammer (als Vertreter von Ambulatorien) zu finden. Der derzeit vorliegende Kompromiss geht vor allem den Ländern zu weit. Alle Zusammenschlüsse von höchstens drei Ärzten sollen nämlich eine Art Schnellsiedeverfahren bekommen, indem sich nur die Sozialversicherung und die Ärztekammer auf Basis der regionalen Strukturpläne über den Bedarf verständigen. Über alle größeren Zentren entscheidet der jeweilige Landeshauptmann auf der Grundlage eines Gutachtens der Gesundheit Österreich GmbH. Und alle Ärzte, die jetzt schon einen Vertrag mit den Krankenkassen (immerhin 10.650 inklusive Zahnärzten) haben, sind ohnehin von der Bedarfsprüfung ausgenommen. Begründung: Ihr Bedarf ist durch den Stellenplan der Kassen legitimiert. Womit heftige Reaktionen im Begutachtungsverfahren zu erwarten sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2010)

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