Peter Kaiser: 51 Jahre ohne Kärntner Anzug

Peter Kaiser Jahre ohne
Peter Kaiser Jahre ohne(c) APA/GERT EGGENBERGER (GERT EGGENBERGER)
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Sonntagsspaziergang. Was ist links und intellektuell am neuen Kärntner SPÖ-Chef Peter Kaiser? Wie will einer wie er die regierenden Freiheitlichen besiegen?

Die wichtigste Frage zuerst: Herr Kaiser, haben Sie schon einen Kärntner Anzug? „Nein“, sagt der neue Kärntner SPÖ-Chef, „ich lebe jetzt schon 51 Jahre ohne Kärntner Anzug.“ Man könne der Bevölkerung auch in einem klassischen Anzug Respekt erweisen.

Und dann wäre da noch die Geschichte mit dem Atlas. Alfred Gusenbauer hat sie seinerzeit gerne auf Parteitagen erzählt. Peter Kaiser tat es auf dem Landesparteitag Ende März. Es ist anscheinend so etwas wie die Erzählung der Generation Kreisky. Damals in der Schule, nach Amtsantritt der Kreisky-Regierung, als er das erste Mal seinen eigenen Atlas bekam, einen, der nicht schon von den Vorgängern beschriftet war, da habe er erstmals das Gefühl gehabt, Sozialdemokrat zu sein, erinnert sich Kaiser. „Ich habe das natürlich noch nicht intellektuell erfasst, aber drinnen im Herzen gespürt.“

Peter Kaiser (51) ist in bescheidenen Verhältnissen in Waidmannsdorf, am Stadtrand von Klagenfurt, aufgewachsen, dort, wo das Stadion „seiner“ Austria Klagenfurt stand und heute die Hypo Group Arena steht, nicht weit vom Wörtherseeufer entfernt. „Urlaub – das war für mich das Strandbad Klagenfurt.“ Sein Vater war Polizist, die Mutter Arbeiterin im Schuhhaus Neuner. Als Peter Kaiser neun Jahre alt war, starb sein Vater an Krebs. Die Mutter musste zu arbeiten aufhören, um sich um die drei Kinder zu kümmern, nachts ging sie putzen und aufräumen.

Generation Kreisky. „Als Kreisky kam, gab es auch für mich auf einmal die Schülerfreifahrt“, erzählt Kaiser. Früher habe er zu Fuß in die Schule gehen müssen. „Und ich konnte auf Skikurs mitfahren.“ Nur Schülerbeihilfe bekam er keine, andere, die weit besser situiert waren, Unternehmer- und Bauernkinder, hingegen schon. Damals sei der Gerechtigkeitssinn in ihm erwacht.

Einer seiner bisher größten Erfolge, sagt Kaiser, sei es gewesen, jenes Anwesen zu retten, das sich gerade vor ihm ausbreitet: Cap Wörth, das See-Areal des Jugendherbergsverbands bei Velden. Die Liegenschaft, die dem ÖGB gehörte, sollte verkauft werden, Frank Stronach und andere Industrielle wollten es kaufen. Kaiser, von 1987 bis 2008 Chef des Kärntner Jugendherbergsverbands, konnte es verhindern und für die öffentliche Hand erhalten.

Peter Kaiser, langjähriger Chef der Sozialistischen Jugend in Kärnten – im Bund war erst Josef Cap sein SJ-Vorsitzender, dann Alfred Gusenbauer – wird gerne als „Linker“ und „Intellektueller“ tituliert. Ein Linker ist er wohl nur für Kärntner Verhältnisse, sonst liegt er ziemlich im Mainstream der österreichischen Sozialdemokratie: Banker und Spekulanten sollten steuerlich zur Kasse gebeten werden, das Primat der Politik über die Ökonomie erhalten bleiben, Aufgaben im Gesundheits- und Bildungsbereich dürften nicht ausgelagert werden, und die Hacklerregelung soll verlängert werden, allerdings als echte Schwerarbeiterregelung.

Der Ruf des Intellektuellen rührt daher, dass der Soziologe großen Wert auf Analysen legt und sich viel mit aktuellen Gesellschaftstheorien und Ideengeschichte beschäftigt. Als Kaiser „Sonntagsspaziergang“ hört, fallen ihm als erstes die „Spaziergänge“ der illegalen Sozialdemokraten im Prater ein, die sich dort verabredeten, da Versammlungen verboten waren. Auf Kaisers Nachtkästchen liegen Egon Friedells „Kulturgeschichte der Neuzeit“, das Programm der europäischen SPE und Simone de Beauvoirs „Alle Menschen sind sterblich“, sein Lieblingsbuch. „Ein Querschnitt durch die französische Geschichte anhand des Traums des Individuums unsterblich zu sein.“

Nur: Wie will einer wie Peter Kaiser die regierenden Freiheitlichen, die Partei der Bodenständigen für die Bodenständigen, besiegen? „Ich merke, dass viele Menschen sehr enttäuscht sind von der Scheinwelt, die Jörg Haider unter Heranziehung sämtlicher Ressourcen aufgebaut hat. Die Leute wollen eine seriöse Alternative.“ Und wie ist sein Verhältnis zu Landeshauptmann Gerhard Dörfler? „Ambivalent. Manchmal kann man mit ihm ganz vernünftig reden, und dann wird er von der einen Sekunde auf die andere unberechenbar. Er hat ein übertriebenes Selbstbewusstsein und ist daher nicht offen für kritische Auseinandersetzungen.“

Aber kann man ohne Kärntner Anzug überhaupt erfolgreich wahlkämpfen? „Man müsste es einmal probieren.“ Allerdings habe er nun von vielen Bürgern Entwürfe für einen modernen Kärntner Anzug, „auch im roten Zuschnitt“, zugesandt bekommen. Er werde sich das einmal genau ansehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2010)

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