Kanzleramt: Erstmals keine Dollfuß-Messe

Kanzleramt: Erstmals keine Dollfuß-Messe
Kanzleramt: Erstmals keine Dollfuß-Messe(c) Presse (Clemens Fabry)
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Die alljährlich stattfindete Gedenkfeier für Dollfuß in der Kapelle des Bundeskanzleramts sagte Kanzler Faymann ab. ÖVP-Neugebauer protestiert. Feier für alle verstorbenen Kanzler künftig zu Allerheiligen.

Wien (oli). Alljährlich findet in der Kapelle des Bundeskanzleramts eine Gedenkfeier für Engelbert Dollfuß statt. Auch für dieses Jahr waren die Einladungen für den 26. Juli bereits gedruckt. Am 25. Juli 1934 war der Bundeskanzler des autoritären Ständestaats von Nationalsozialisten ermordet worden.

Anfangs hielt das Bundeskanzleramt an der Gedenkfeier fest, schließlich hatte diese auch unter den bisherigen sozialdemokratischen Kanzlern stattgefunden. Doch nach Protesten sagte Werner Faymann die Gedenkmesse ab. Künftig soll zu Allerheiligen aller verstorbenen Kanzler gedacht werden. Im Hintergrund hat sich vor allem Staatssekretär Josef Ostermayer für eine Absage starkgemacht. Dessen Großonkel wurde 1927 in Schattendorf von rechten Frontkämpfern erschossen – der Freispruch für die Täter führte zum Justizpalastbrand.

„Keinerlei Verständnis“

„Keinerlei Verständnis für die Vorgangsweise, die Gedenkmesse kurzfristig und ad hoc erstmals seit 1945 abzusagen“, hat der Zweite Nationalratspräsident Fritz Neugebauer (ÖVP). Schließlich sei ein katholischer Gottesdienst immer ein Zeichen der Versöhnung und keine politische Manifestation. Es habe schon „prominentere Sozialdemokraten“ wie Bruno Kreisky gegeben, „die mehr Pietät und Toleranz zeigten“. Eine auch von Neugebauer unterstützte Historikerkommission um Oliver Rathkolb arbeitet derzeit an einem Projekt zur Rehabilitierung der Opfer des Austrofaschismus.

Der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Freiheitskämpfer, Ernst Nedwed, begrüßte hingegen die Absage der Dollfuß-Gedenkmesse: „Dadurch wird eine langjährige Ungleichheit beseitigt. Denn es muss daran erinnert werden, dass der hingerichteten Februarkämpfer und Verteidiger der demokratischen Rechte, die der Austrofaschist Dollfuß zu verantworten hat, nie in geeigneter Form im Bundeskanzleramt gedacht wurde.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2010)

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