Ausländerpolitik: Was die Parteien wollen

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Welche Pflichten und welche Rechte die Parlamentsparteien für Zuwanderer und Asylwerber parat halten. Und was sie von Provokationen à la Sarrazin und der Politik von Innenministerin Fekter halten.

In Deutschland sorgt der Notenbanker Thilo Sarrazin mit ausländerfeindlichen und rassistischen Äußerungen für Aufregung. In seinem gestern vorgestellten Buch „Deutschland schafft sich ab" warnt der frühere SPD-Finanzsenator von Berlin vor Überfremdung und spricht vom typischen Juden-Gen. In Österreich gibt sich Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) als bewährter Reibebaum. Sie sagt „Toleranz ist ein absolutes No-go im Islam" oder behauptet, Roma würden einzig wegen der Grundversorgung und neuerdings in Massen in Österreich um Asyl ansuchen.

„Die Presse" hat sich erkundigt, was die Parlamentsparteien von den heftig debattierten Ansichten halten. Und was würden die Koalitions- und die Oppositionspolitiker am ehesten und schnellsten an unseren Ausländergesetzen ändern?

SPÖ: „Mitwirkung" der Asylwerber


„Wäre Sarrazin SPÖ-Mitglied, würde ich sofort einen Parteiausschluss einleiten", sagt SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter über das SPD-Mitglied. Und die heimische Ausländerpolitik? Kräuter will keine umfassenden Gesetzesreformen, aber man könne sicherlich noch die Verfahren verbessern und vereinfachen. Aber Anwesenheitspflicht, Kräuter nennt es „Wegsperren" von Asylwerbern, wie das die Innenministerin fordert, will Kräuter nicht. Schon gar nicht bei Personen, deren Identität klar sei.

Die SPÖ wünscht sich „Mitwirkung" der Asylwerber, sie sollten sich am Verfahren beteiligen. Verteidigungsminister Norbert Darabos verhandelt darüber gerade mit der ÖVP-Innenministerin. Von Zuwanderern müsse verlangt werden, dass sie die Rechtsordnung und die Grundrechte Österreichs anerkennen, sagt Kräuter. „Wer das nicht erfüllt, hat hier nichts zu suchen." Für die soziale Integration brauche es den Willen der Zuwanderer, aber auch Unterstützung Österreichs, etwa durch Sprachkurse.
Langfristig will sich die SPÖ für ein eigenes Regierungsmitglied für Integrationsfragen einsetzen

FPÖ: „Meist Schafhirten aus Ostanatolien"


„Hochinteressant"; „ich kann dem sehr viel abgewinnen": Das sind die Schlagworte und -sätze, die FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky in den Mund nimmt, wenn er über Sarrazins Thesen zu muslimischen Einwanderern spricht. Es brauche „eine Auseinandersetzung mit dem Islam" und „Gegenmeinungen wie diese" - in Deutschland wie in Österreich, sagt er.
Seine politischen Schlüsse hat Vilimsky längst gezogen: Die Regierung müsse einen Zuwanderungsstopp verhängen, speziell für Personen aus islamischen Ländern - aber nicht für Schlüsselarbeitskräfte: „Plakativ gesagt, haben wir derzeit überwiegend Schafhirten aus Ostanatolien, aber wenige Uni-Professoren. Es sollte umgekehrt sein."

Arbeits- und integrationsunwillige Zuwanderer würde der FPÖ-General dazu bringen, „in ihre Heimatländer zurückzukehren". Und im Asylbereich fordert er Verschärfungen: temporäre Grenzkontrollen etwa, um Missbrauch vorzubeugen. Und Verfahren, die maximal drei Monate dauern. Für diese Zeit würde Vilimsky auch eine Aufenthaltspflicht verhängen, weil: „Wenn sie stationär verharren müssen, wird es für viele uninteressanter, nach Österreich zu kommen."

Grüne: Eigenes Ministerium für Integration


„Ein glatter Parteiausschluss" wären die Aussagen von Thilo Sarrazin bei den Grünen, sagt deren Integrationssprecherin Alev Korun. Am deutschen „Selbstdarsteller und Provokateur" stört sie besonders, dass es dieser in seiner Zeit als Berliner Politiker ja besser hätte machen können.

Bedauernswert ist für Korun, dass auch die österreichische Innenministerin nach demselben Muster vorgehe. „Sie versteigt sich immer wieder zu Behauptungen, die sie nie mit Zahlen belegen kann", so Korun. Die Grün-Politikerin bedauert, dass Fekter bewusst mit negativen Klischees spiele (z.B. die BMW-fahrenden Asylwerber) und auf Kosten von Gruppen „in bester FPÖ-Diktion" verallgemeinere. Außerdem verkaufe sie Zuwanderungs- als reine Sicherheitspolitik.

Deshalb sieht es Korun für vordringlich, „Einwanderung, Integration, Staatsbürgerschaft und Asyl" in ein eigenes Ministerium zusammenzufassen und das Thema aus dem „Polizeiministerium" herauszulösen. Außerdem bedürfe es einer umfassenden Integrationsoffensive, nachdem die österreichische Politik 40 Jahre den Kopf in den Sand gesteckt habe.

BZÖ: „Ausländer-Check" vor Zuwanderung


„Sarrazin hat den Finger auf die Wunde gelegt", meint BZÖ-Generalsekretär Christian Ebner. Er sieht die Äußerungen Sarrazins als eine Art Diskussionsanstoß. Und das sei aufgrund der „dramatischen Situation" betreffend Zuwanderung und Integration auch wichtig. „Ein derartiges Thema soll ohne Tabus diskutiert werden können", so Ebner.

Um des „Ausländer- und Integrationsproblems" Herr zu werden, möchte das BZÖ die Zuwanderung in den Sozialstaat stoppen. Konkret fordern sie den „Ausländer-Check" - anhand eines Punktesystems sollen künftige Zuwanderer ausgesucht werden. Punkte werden dabei nach Bedarf vergeben oder nach Sprachkenntnis, Bildung, Arbeitsfähigkeit, Erwerbsdauer, Einkommen, Unbescholtenheit und Integrationswillen. Ist diese Hürde überwunden, können sich Zuwanderer durch bestimmte Leistungen einen sukzessiven Zugang zu Sozialleistungen erarbeiten.

Um einem Asyl-Missbrauch vorzubeugen, fordert das BZÖ eine Anwesenheitspflicht. Diese wolle man auch im Nationalrat beantragen, kündigt der stellvertretende Obmann Gerald Grosz an.

ÖVP: Zentrales Ziel „Aufenthaltspflicht"


„Wir konzentrieren uns zuerst auf das Lösen der Probleme im Inland", heißt es im Büro von ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger zur Causa Sarrazin: Ob man seinen Ausführungen etwas abgewinnen kann oder Sanktionen gegen einen österreichischen „Sarrazin" vornähme, ließ man offen. Ein dringendes Anliegen der ÖVP ist eine „Aufenthaltspflicht" für Asylwerbende in den Erstaufnahmezentren. Eine solche will Innenministerin Maria Fekter bald mit der SPÖ vereinbaren. Die Parteilinie: Asyl sei ein „Recht für Hilfesuchende, das nicht missbraucht werden darf", so Kaltenegger.

In der Zuwanderungspolitik will die ÖVP „so rasch wie möglich" die geplante „Rot-Weiß-Rot-Card". Für Nicht-Schlüsselkräfte soll gelten: Deutsch vor Zuzug. Einwanderer sollten in Etappen immer besseres Deutsch beweisen, sonst sollten ihnen Ausweisung oder Nachteile bei der Niederlassung und der Staatsbürgerschaft drohen - und zwar früher als jetzt, so Fekters Plan. Die ÖVP Wien drängt auf eine einjährige verpflichtende „Vorbereitungsklasse" für Kinder mit Deutschdefiziten, ehe sie die Schule besuchen.

Bei der Einbürgerung will Fekter einen „Eid auf die Fahne".

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