Fekter gibt Asylwerbern die Rote Karte

(c) APA (HERBERT PFARRHOFER)
  • Drucken

Was die Einigung von SPÖ und ÖVP über die "Mitwirkungspflicht" bedeutet. "Die Presse" beantwortet die wichtigsten Fragen über das neue Gesetz und stellt die Regeln für Asylwerber vor.

Wien. Asylwerber werden nicht eingesperrt, sie dürfen aber auch nicht vor die Tür. Das ist der Sukkus des neuen Gesetzes zur „Mitwirkungspflicht“ von Flüchtlingen, das Innenministerin Maria Fekter und Verteidigungsminister Norbert Darabos am Dienstag vorstellten. Verhandelt haben die beiden Minister über das Gesetz seit Jänner dieses Jahres: Damals war das Projekt eines dritten Asyl-Erstaufnahmezentrums im südburgenländischen Eberau am Widerstand der Bevölkerung gescheitert. Fekter hatte damals – um der Bevölkerung die Angst zu nehmen – für eine Anwesenheitspflicht der Flüchtlinge im Asylzentrum plädiert. Die Neuregelung soll effizientere Verfahren bringen und dafür sorgen, dass Österreich für Schlepper wieder ein Stück unattraktiver wird, sagte Fekter am Dienstag. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zu den neuen Regeln für Asylwerber:

1. Wie funktioniert die „Mitwirkungspflicht“ für Asylwerber?

Am Beginn des Asylverfahrens steht das „Erstaufnahmeverfahren“. In dieser Phase wird untersucht, ob der Asylwerber bereits in einem anderen sicheren Drittland um Asyl angesucht hat (wenn ja, ist dieses für das Verfahren zuständig). Es wird versucht, die Identität des Asylwerbers festzustellen, ein erstes Gespräch über die Asylgründe findet statt, weiters eine Untersuchung des Gesundheitszustandes und eine Rechtsberatung. Asylwerber sollen künftig in den ersten 120 Stunden nach Stellen des Asylantrages den Behörden rund um die Uhr für diese Verfahren zur Verfügung stehen. Liegt ein Feiertag oder ein Wochenende dazwischen, so verlängert sich die Frist automatisch. In dieser Phase sollte im Normalfall das Erstaufnahmeverfahren abgeschlossen sein.

2. Darf man in dieser Zeit das Erstaufnahmezentrum verlassen?

Im Normalfall nicht. Ausnahmen sind aber möglich, etwa wenn dringende familiäre Verpflichtungen vorliegen, ein Arztbesuch oder Behördenweg notwendig ist. In den Supermarkt oder in ein Lokal dürfen Asylwerber aber nicht gehen, selbst wenn diese ums Eck liegen. Dinge des täglichen Bedarfs wird man aber auch im Lager einkaufen können.

3. Werden die Asylwerber jetzt eingesperrt?

Direkt eingesperrt nicht, aber um das Asylzentrum zu verlassen, muss man eine Polizeikontrolle passieren. Für die ersten 120 Stunden erhalten die Asylwerber eine „rote Karte“ als Identitätsausweis, der signalisiert, dass ein Verlassen des Zentrums nicht erlaubt ist.

4. Welche Sanktionen drohen bei Verstößen?

Es drohen Verwaltungsstrafen sowie die Verhängung der Schubhaft. Wer das Lager durch das Tor verlassen will, wird von der Polizei wohl zurückgehalten werden. Wer über den Zaun klettert, dem drohen Strafen, wenn er später von der Polizei aufgegriffen wird. An bauliche Veränderungen in den Erstaufnahmezentren Traiskirchen und Thalham, die ein unerlaubtes Verschwinden verhindern könnten, ist vorerst nicht gedacht.

5. Was passiert nach den 120 Stunden?

Sollte das Erstaufnahmeverfahren bis dahin noch nicht abgeschlossen sein (was immer wieder vorkommt), gelten dieselben Regeln wie bisher: Flüchtlinge dürfen zwar das Asylzentrum verlassen, nicht aber den politischen Bezirk. Dies gilt weiter, obwohl es laut Innenministerin Fekter totes Recht sei: Man könne von den Flüchtlingen nicht erwarten, dass sie die Bezirksgrenzen genau kennen.

6. Ist die Regelung verfassungskonform?

Laut SPÖ ja: Sie hat den ursprünglichen Vorschlag von Innenministerin Fekter mit einer Anwesenheitspflicht von bis zu einem Monat und die generelle Verhängung von Schubhaft bei Verstößen abgelehnt. Eine Mitwirkungspflicht und eine Prüfung des Einzelfalls bei der Schubhaft seien aber verfassungsrechtlich in Ordnung, sagt SPÖ-Verhandler Verteidigungsminister Norbert Darabos.

Dem widerspricht der Verfassungsjurist Heinz Mayer: Die Mitwirkungspflicht gehe in Ordnung, nicht aber eine darüber hinausgehende Anwesenheitspflicht, sagt Mayer im Gespräch mit der „Presse“. Man könne also die Flüchtlinge sehr wohl dazu verpflichten, sich den Behörden zur Verfügung zu halten. Man dürfe sie aber nicht beispielsweise am Abend oder am Wochenende festhalten, wenn die Behörden gar nicht arbeiten. Dies sei ein Freiheitsentzug, der verfassungsrechtlich nicht gedeckt sei.

7. Was macht das neue Bundesamt für Asyl und Migration?

Dort werden die Agenden für Zuwanderer gebündelt, für die derzeit 113 Stellen – Bezirkshauptmannschaften, Magistrate, Bundespolizeidirektionen – zuständig sind. Kern des neuen Amtes wird das derzeitige Bundesasylamt, das für Asylverfahren in erster Instanz zuständig ist. Das weiterhin im Innenressort angesiedelte Amt ist beispielsweise für Aufenthaltsbewilligungen zuständig – nicht aber für Beschäftigungsbewilligungen, die weiterhin beim AMS bleiben.

8. Wann tritt die Neuregelung in Kraft?

Der Begutachtungsentwurf soll noch diese Woche vorgelegt werden, am 19.Oktober ist der Beschluss im Ministerrat vorgesehen. Damit könnte das Gesetz mit 1. Jänner kommenden Jahres in Kraft treten. Etwas länger dauert die Etablierung des Bundesamts für Asyl und Migration: Das soll seine Arbeit erst 2013 aufnehmen.

AUF EINEN BLICK

Mit der„Mitwirkungspflicht“ für Asylwerber wird wieder einmal das Fremdenrecht geändert. Es ist eine von mehreren Verschärfungen in den vergangenen Jahren:

■Das letzte Fremdenrechtspaket passierte im Oktober 2009 den Nationalrat. Es ermöglichte eine Ausweitung der Schubhaft, dämmte unberechtigte Folgeanträge ein und schuf die Möglichkeit der Altersfeststellung mittels Röntgenaufnahmen.

■Im März 2009 wurden das humanitäre Bleiberecht neu geregelt. Zuwanderer, die vor dem 1.Mai 2004 nach Österreich gekommen waren, bekamen auf Antrag ein eigenes Verfahren. Vorausgesetzt, ihr Verbleib im Land war zumindest zur Hälfte legal.

Mitte 2008 wurde der Asylgerichtshof als neue Berufungsinstanz installiert (anstelle des Unabhängigen Bundesasylsenats). Er trifft im Regelfall die Letztentscheidung über den Asylantrag.

■Das wohl umstrittenste Fremdenrechtspaket wurde 2005 unter Schwarz-Blau verabschiedet. Es brachte unter anderem Verschärfungen bei der Schubhaft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kommentare

Ein Signal an die Wähler

Die „Mitwirkungspflicht“ für Asylwerber hat kaum sachliche Gründe.
Politik

Opposition: "Löchrige Mogelpackung"

FPÖ und BZÖ gehen die beschlossenen Maßnahmen zu wenig weit. Die Grünen werfen der SPÖ vor, angesichts der Wien-Wahl "wieder einmal vor Strache und Fekter in die Knie gegangen" zu sein.
Fekter: "Wo sind sie denn, die Illegalen?"
Politik

Fekter: "Wo sind sie denn, die Illegalen?"

Die VP-Innenministerin fragt sich laut und zynisch, wo die Asylwerber in Wien untergebracht sind. In den Verhandlungen mit der SPÖ um die geforderte Anhaltung in Erstaufnahmezentren gehe man aber vorsichtig "wie auf Eis".

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.