Gerald Karner: Sonore Stimme fürs Berufsheer

Gerald Karner Sonore Stimme
Gerald Karner Sonore Stimme(c) Michaela Bruckberger
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Sonntagsspaziergang. Für Gerald Karner ist die Wehrpflichtdebatte die letzte Chance, aus dem Bundesheer etwas Vernünftiges zu machen.

Seine sonore Stimme ist österreichweit bekannt, spätestens, seit er während des Irakkriegs im Fernsehen strategische Zusammenhänge erklärte. Gerald Karner gilt seither als einer der großen Militärexperten des Landes – und das, obwohl er das Bundesheer längst verlassen hat und als Unternehmensberater tätig ist. Im Bundesheer hat er sich mit seinen öffentlichen Auftritten nicht bei allen beliebt gemacht, öffentliches Ansehen ruft auch Neider auf den Plan. So machen Gerüchte die Runde, er würde sich um eine Rückkehr in die Armee bemühen.

„Sicher nicht“, sagt Karner bei unserem Spaziergang durch den 19. Bezirk, nahe seiner Wohnung. Wir gehen durch den idyllischen Wertheimsteinpark, vorbei an den weitgehend unbekannten Minaretten in der Nußwaldgasse, die ein Industrieller im 19. Jahrhundert auf eine Pflanzenschutzmittelfabrik platziert hat, zur „Greißlerei“ in der Silbergasse, wo der tunesische Wirt köstliche italienische Antipasti serviert. Seine Rückkehr sei ein Gerücht, das von manchen bewusst in die Welt gesetzt würde, sagt Karner. „Ich begebe mich doch nicht in eine Situation, in der ich nur auf Widerstand stoße.“


Sprachrohr für ein Berufsheer. Die Entwicklungen der vergangenen Woche haben diesen Widerstand zweifellos verstärkt. Seit der Wiener Bürgermeister Michael Häupl mit seinem Kraftakt im Wahlkampf die SPÖ auf eine Volksbefragung über die Wehrpflicht eingeschworen hat, herrscht Alarmstimmung im Offizierskorps. Die meisten dort sind Anhänger des Wehrdienstes, während sich Karner schon in den vergangenen Monaten als Sprachrohr für ein Berufsheer profiliert hat.

Es ist die veränderte geopolitische Lage, die für ihn ausschlaggebend ist. Österreich ist von befreundeten EU-Staaten umgeben und nicht mehr bedroht. Für die Sicherheit des Landes sei es wichtiger, sich an internationalen friedenserhaltenden Einsätzen zu beteiligen, und dafür sei ein Berufsheer die geeignete Form. „Das ist jetzt die letzte Chance, aus dem Bundesheer etwas Vernünftiges zu machen, nämlich eine zukunftsträchtige Streitkraft für Europa“, sagt Karner.

Hinter dem Widerstand des Militärs glaubt er auch Eigeninteressen erkennen zu können. Ein kleines Berufsheer hätte auch eine wesentlich kleinere Führungsmannschaft als heute – und damit müssten sich nicht nur viele Unteroffiziere aus dem heutigen Bundesheer, sondern auch viele Generalstäbler verabschieden.

Die Argumente gegen ein Berufsheer hält er für nicht stichhaltig. Hohe Kosten? Eine Truppe mit 15.000 Mann sei ausreichend – und die ließe sich seiner Ansicht nach mit dem gleichen Budget machen, das das Verteidigungsressort jetzt schon hat. Zur Not komme man auch mit 12.000 Mann aus. Probleme bei der Rekrutierung? Die seien vorhanden, aber nicht unlösbar, wenn man den Soldatenberuf entsprechend attraktiv gestaltet. Fehlender Katastrophenschutz? Auch für den sei ein kleines Berufsheer ausreichend.
Produkt der Wehrpflicht. Dabei ist Karner selbst quasi ein Produkt der Wehrpflicht, wurde er nur Offizier, weil er während des Präsenzdienstes Gefallen am Militär fand. „Eigentlich wollte ich Germanistik und Theaterwissenschaften studieren und vorher den Wehrdienst abschließen“, sagt er. Das „Glück, auf gutes Kaderpersonal zu stoßen“, brachte ihn dazu, freiwillig beim Heer zu bleiben und schließlich die Militärakademie zu absolvieren. „Es war Überzeugungssache, etwas Sinnvolles zu tun und mitzuhelfen, dass aus dem Kalten Krieg kein heißer Krieg wird“, begründet er die damalige Entscheidung.

Der Ausstieg aus dem Heer vor fünf Jahren entsprang auch einer Überzeugung – nämlich jener, dass die Entwicklung in die falsche Richtung geht. Die Bundesheerreform, an der Karner führend mitgearbeitet hat, war damals gerade im Scheitern begriffen. Denn die Politik hat dem Heer weder die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt noch die für eine Änderung der Personalstrukturen notwendige Dienstrechtsänderung beschlossen.

Genau dies ist auch Karners einziges Bedenken bei der Umstellung auf ein Berufsheer: dass die Politik dieses zwar verordnet, aber die notwendigen Voraussetzungen dafür nicht schafft. Dazu gehöre, ältere Mitarbeiter des derzeitigen Bundesheers „mit Respekt und Würde“ zu verabschieden und den Aufbau einer jungen Truppe zu ermöglichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2010)

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