SPÖ regiert weiter mit "Absoluter"

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SPoe regiert weiter bdquoAbsoluterldquo(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Die SPÖ hat ihre absolute Mehrheit verloren, in der Praxis besteht sie weiter. Dieses Paradoxon macht das Wiener Wahlrecht möglich – und die grüne Schützenhilfe.

Wien. Nach der Wahl ist vor der Wahl. Die SPÖ hat zwar die absolute Mandatsmehrheit verloren, hält nun 49 von 100 Mandaten im Wiener Gemeinderat, kann aber trotzdem im Alleingang entscheiden, welche Gesetze beschlossen werden und welche in der Schublade verschwinden – womit sich gegenüber der Zeit vor dem 10.Oktober de facto nichts ändert. Das Wiener Wahlrecht macht's möglich.

Was auf den ersten Blick paradox wirkt, ist auf das stark mehrheitsfördernde Wiener Wahlrecht zurückzuführen, das auch die Ausschüsse im Rathaus betrifft. Die SPÖ benötigt im Gemeinderat die Stimmen des grünen Koalitionspartners. Damit ein Gesetzesvorschlag überhaupt in den Gemeinderat gelangt, muss er zuvor vom jeweiligen Ausschuss wie Umwelt-, Verkehrs-, Integrationsausschuss beschlossen werden (das gilt für fast alle Gesetze).

SPÖ kann jedes Gesetz begraben

Dort, in den Ausschüssen, besitzt die SPÖ jeweils acht von 15 Stimmen – also trotz Wahlniederlage die absolute Mehrheit. Auch im Europa-Ausschuss, der am Donnerstag als neues politisches Gremium für den Gemeinderat aus der Taufe gehoben wurde.

Mit anderen Worten: Wenn der SPÖ ein Gesetzesentwurf nicht genehm ist, kann dieser jederzeit in einem Ausschuss mehr oder weniger würdevoll begraben werden, womit der Gemeinderat, in dem die SPÖ keine „Absolute“ hat, über das jeweilige Gesetz nicht abstimmen darf, selbst wenn es der grüne Koalitionspartner will. „Am Anfang wird das nicht passieren, das wäre dem Koalitionspartner gegenüber unhöflich. Was später ist, werden wir noch sehen“, heißt es in SPÖ-Kreisen. Damit begnügt sich die Bürgermeisterpartei von Michael Häupl vorerst mit dem beruhigenden Wissen, dass die SPÖ weiterhin allein regieren kann.

Bemerkenswert ist eine außergewöhnliche grüne Dienstleistung in den Bezirken. In Favoriten und in Landstraße haben die Grünen einer Aufstockung der Ausschussmitglieder zugestimmt. Das wäre nicht weiter berichtenswert, hätte das nicht gravierende Auswirkungen. In Favoriten verfügt die SPÖ mit der Aufstockung dank grüner Schützenhilfe plötzlich über die absolute Mehrheit im Bezirk. In der Landstraße erreichte die SPÖ durch die Aufstockung mit grüner Zustimmung sechs Mandate und damit eine Sperrminorität. Dort kann die SPÖ nun jeden Antrag im Bezirksparlament blockieren. Argumentiert wird die Aufstockung von den Grünen damit, dass sie jetzt mit einem Mitglied in den Ausschüssen vertreten sind.

Wenig erbaut darüber ist VP-Landesgeschäftsführer Alfred Hoch: „Rot-Grün geht in den Bezirken voll auf Kosten der Steuerzahler. Durch Tricks werden z. B. im 5., 10. und 16. Bezirk mithilfe der Grünen zusätzliche Ausschussposten geschaffen, um SP-Mehrheiten zu festigen und persönliche Eitelkeiten zu befriedigen.“

Die rot-grüne Koalition gelte auf Landesebene und nicht für die Bezirke, hält der Grüne Rüdiger Maresch fest: „Aber es gibt die Idee, in vielen Bezirken gemeinsame Arbeit zu machen.“ So habe Rot-Grün im 18. Bezirk eine Mehrheit gegen den schwarzen Bezirksvorsteher Karl Homole.

Ebenfalls bemerkenswert: In Ottakring und Margareten hat die ÖVP – analog zur SPÖ – den Antrag gestellt, die Zahl in den Ausschüssen zu erhöhen, damit die grün-schwarz-blaue Opposition die Mehrheit besitzt. Nur: Hier haben die Grünen gegen eine Aufstockung gestimmt, womit die SP-Machtposition zementiert wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 3. Dezember 2010)

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