Sozialbericht: Kinder und Ausländer armutsgefährdet

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Die Kosten für das Sozialwesen stiegen stark an. Am stärksten gewachsen sind dabei die Ausgaben für ältere Menschen. Auch Arbeit schützt nicht vor Armut. Sieben Prozent der Erwerbstätigen sind armutsgefährdet.

Wien. Der am Mittwoch veröffentlichte Sozialbericht spricht eine deutliche Sprache: Demnach sind die Sozialausgaben in Österreich im Vorjahr auf 30,7 Prozent der wirtschaftlichen Wertschöpfung geklettert. Im Jahr davor war die Sozialquote noch bei 28,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gelegen. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) führt die Mehrkosten auf die höhere Arbeitslosigkeit 2009 zurück sowie auf den Rückgang des BIPs, der durch die Wirtschaftskrise ausgelöst wurde.

Insgesamt sind die Sozialausgaben von 48,9 Milliarden Euro im Jahr 1995 um 58 Prozent auf 77,3 Milliarden im Jahr 2008 gestiegen. Am stärksten gewachsen sind dabei die Ausgaben für ältere Menschen (um 79 Prozent). Überhaupt betrifft der größte Teil der Ausgaben ältere Menschen: Fast die Hälfte der Sozialausgaben wird für sie aufgewendet (Pensionen, Pflegegelder und Ausgaben für Betreuungseinrichtungen). Ein Viertel der Kosten entfällt auf die öffentliche Gesundheitsversorgung, ein Zehntel auf Familienleistungen, acht Prozent auf invaliditätsbedingte Leistungen und fünf Prozent auf Leistungen für Arbeitslose bzw. den Arbeitsmarkt. Sozialleistung bedeutet in Österreich vor allem das Empfangen von Geld; 70 Prozent der Sozialleistungen sind in diese Kategorie einzustufen. Weniger als ein Drittel entfällt auf Betreuungs- oder andere Sachleistungen.

Eine Million „armutsgefährdet“

Seit Jahren konstant blieb die Zahl der armutsgefährdeten Personen: 12,4 Prozent oder rund eine Million Menschen fallen darunter. Sie verdienen weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens oder sind Einpersonenhaushalte, die mit weniger als 11.406 Euro Jahreseinkommen das Auslangen finden müssen. Etwa die Hälfte der armutsgefährdeten Personen, also eine halbe Million Österreicher, gilt als „manifest arm“: Sie sind finanziell benachteiligt und können überdies nicht am Mindestlebensstandard teilhaben. Besonders armutsgefährdet sind demnach Kinder, ältere Frauen, Alleinerzieher und Familien mit mehreren Kindern. Menschen ausländischer Herkunft, mit geringer Bildung oder Behinderung sind in Österreich ebenfalls häufiger armutsgefährdet.

Aber auch Arbeit schützt nicht vor Armut: 247.000 Personen gelten trotz einer Erwerbsarbeit als armutsgefährdet. Damit sind sieben Prozent der Erwerbstätigen sogenannte „working poor“. Betroffen sind vor allem Hilfsarbeiter, aber auch neue Selbstständige oder Personen mit freiem Dienstvertrag. Ungleich verteilt sind auch nach wie vor die Vermögenswerte in Österreich. 2004 verfügten die Haushalte durchschnittlich über ein Geldvermögen von 55.000 Euro. Über zwei Drittel der Haushalte haben aber kein nennenswertes Geldvermögen. Die obersten zehn Prozent besitzen hingegen einen Anteil von 54 Prozent am gesamten Geldvermögen. Nur zwei Prozent der österreichischen Sparbücher weisen Einlagen über 50.000 Euro auf, wobei diese Einlagen aber fast ein Drittel des Gesamtwerts aller Sparbücher ausmachen.

Auch bei der Verteilung des Immobilienvermögens gibt es eine Konzentration. Das oberste Fünftel hält 75 Prozent des gesamten Immobilienvermögens, und die Top-10-Prozent besitzen 61 Prozent. Auf der anderen Seite haben etwa 41 Prozent der privaten Haushalte in Österreich kein Immobilienvermögen.

Opposition: Familien „ausgeplündert“

Sozialminister Hundstorfer unterstrich am Mittwoch die Notwendigkeit von Sozialtransfers. Diese würden einen großen Beitrag zur Verringerung von Armutsgefährdung leisten. Die Opposition sparte freilich nicht mit Kritik an der Regierung. Der grüne Sozialsprecher Karl Öllinger warf Rudolf Hundstorfer vor, den Bericht verschämt und ohne Pressekonferenz zu präsentierten, weil dieser unangenehme Fakten zutage gebracht habe. BZÖ-Sozialsprecherin Ursula Haubner ortete einen familienfeindlichen Kurs der Regierung, zumal vor allem Familien armutsgefährdet seien. FPÖ-Sozialsprecher Herbert Kickl warf der Regierung vor, die Familien „auszuplündern“.

Kritik kam auch von Caritas-Präsident Franz Küberl; er forderte „eine Korrektur der ungerechten Vermögensentwicklung“. Das dadurch frei werdende Geld müsse sodann Reformen beim Bildungssystem und bei der Verwaltung sowie ein Gesamtkonzept für die Bereiche Betreuung und Pflege ermöglichen. Volkshilfe-Präsident Josef Weidenholzer erklärte, er sorge sich angesichts der weiter aufgehenden Schere zwischen Arm und Reich um den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2010)

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