Stenzels Attacke: „Lähmung" in der ÖVP

Ursula Stenzel
Ursula Stenzel(c) (Clemens Fabry)
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Die stärkste schwarze Bezirksvorsteherin Wiens ortet ein Vakuum in der Vertretung bürgerlicher Wähler: "Man muss wissen, warum die ÖVP überhaupt auf der Welt ist. Mir dauert die Schocksekunde schon zu lang."

WIEN. Ursula Stenzel, Bezirksvorsteherin der Inneren Stadt und eine der bekanntesten und profiliertesten VP-Politikerin der Stadt, hat mit ihrer Partei die Geduld verloren. Im Gespräch mit der „Presse" meinte sie am Donnerstag wörtlich: „Mir dauert die Schrecksekunde seit der verlorenen Wahl im Oktober schon zu lang. Diese Lähmung muss überwunden werden. Man muss wissen, warum die ÖVP überhaupt auf der Welt ist."

Ob dies als Weckruf an VP-Obfrau Christine Marek ÖVP zu verstehen ist? Stenzels Antwort: „Das ist ein Weckruf nicht nur für Frau Marek, sondern generell für alle Glieder und Subglieder der Partei." Sie wolle die unabdingbar notwendige Debatte offensiv führen, wohin die ÖVP steuern solle - für „ihrem" Bezirk und für Wien.

Sie selbst rede keiner Retropolitik oder nostalgischen Politik das Wort, die sich am Bürgertum des 19. Jahrhunderts orientiere. Die ÖVP müsse die Anliegen der „Citoyens", so Stenzel wörtlich, zu den ihren machen. Die da wären: „Dass man sich zu Eigenverantwortung bekennt, zu Eigenleistung und zu Nachhaltigkeit. Gerade die Vokabel Eigenverantwortung und eigene Leistung fehlen im Vokabular der politischen Correctness ja völlig."

„Bürger lechzen nach Angebot"

Stenzel weiter: „Das Bürgertum wird oft kleingeredet und kleingeschrieben. Aber es gibt auch in Wien eine silent majority des Bürgertums. Die Bürger lechzen nach einem politischen Angebot, sie werden nicht angesprochen, von keiner Partei. Hier existiert ein Vakuum, das nur die ÖVP füllen kann." Die ÖVP sieht sie derzeit aber „zu sehr mit sich selbst beschäftigt".

Tatsächlich finden derzeit VP-intern viele Gespräche über die Neupositionierung der Partei nach der Wahlschlappe vom 10. Oktober mit dem schlechtesten Ergebnis der Geschichte statt. Obfrau Marek ist dabei eine breite Einbindung aller Funktionäre wichtig. In den nächsten vier, sechs Wochen soll Klarheit über das weitere Vorgehen herrschen, heißt es.

Antreten als Bezirksparteichefin?

Völlig unklar ist hingegen noch, wer die VP-Bezirksorganisation Innere Stadt in Zukunft führen soll. Im Frühjahr soll der seit fast einem Jahr überfällige Bezirksparteitag stattfinden. Ob Stenzel selbst als Parteichefin antreten wird? Stenzel: „Ich will das bewusst offen lassen. Es gibt mehrere vielversprechende Namen. Aber man kennt mich als Politikerin, die keine Verantwortung scheut."

Der derzeitige VP-Bezirkschef Bundesrat Franz Eduard Kühnel will nicht mehr antreten. Markus Figl hingegen schon. Er war im November als Bezirksvorsteher-Vize in einer Klubsitzung abgewählt worden. Sehr zum Ärger von VP-Jugendchef Sebastian Kurz. Jetzt will Stenzel offenbar eine Kür Figls, Großneffe Leopold Figls, verhindern. Ohne seinen Namen zu nennen erklärt sie, manche jungen Politiker würden nur darüber nachdenken, wie sie ihre innerparteiliche Karriere zimmern könnten. Dabei vergessen sie nach ihrer Auffassung aber die inhaltliche und strukturelle Erneuerung der Partei.

Ob die Ämtertrennung zwischen Bezirksparteichef und Bezirksvorsteher nicht ein Fehler gewesen ist? Stenzel antwortet prompt: „Die Ämtertrennung ist nicht glücklich. Es war 2005 mein Fehler, die Funktionen nicht zusammenzuführen."

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2011)

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