U-Haft verhängt: Die Umtriebe des Gottfried Küssel

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Nach seiner Festnahme sitzt der mutmaßlichen Kopf der Website "alpen-donau.info" in U-Haft. In einem Wiener Haus scharte er in den vergangenen Jahren Szenemitglieder um sich - und war auch sonst sehr aktiv.

Wien. Muss sich Gottfried Küssel auf eine längere U-Haft einstellen? Der 52-Jährige, der einst als Führerfigur der Neonazi-Szene galt, wurde – wie berichtet – in der Nacht auf Dienstag festgenommen. Am Donnerstagvormittag ist über Küssel und einen zweiten inhaftierten Verdächtigen, einen gewisser R., die Untersuchungshaft verhängt worden.

Bei Hausdurchsuchungen waren Computer, Waffen und NS-Devotionalien sichergestellt worden.

Das Ermittlungsverfahren rund um die Neonazi-Website „alpen-donau.info“ läuft offiziell aus zwei Verdachtsgründen: §3g Verbotsgesetz und §283 Strafgesetzbuch. Erstere Gesetzesstelle stellt Wiederbetätigung „im nationalsozialistischen Sinne“ unter Strafe. Bis zu zehn Jahre Gefängnis drohen; bei „besonderer Gefährlichkeit des Täters oder der Betätigung“ sogar bis zu 20 Jahre.

Rechte Hochburg am Donaukanal

Der zweite Verdacht umfasst den Tatbestand der Verhetzung. Demnach macht sich strafbar (Sanktion: bis zu zwei Jahre Freiheitsentzug), wer öffentlich und unter Gefährdung der öffentlichen Ordnung „zu einer feindseligen Handlung“ gegen eine bestimmte Gruppe (Rasse, Volksstamm, Religionsgemeinschaft etc.) aufruft. Sollte sich dieser Verdacht erhärten, droht den beiden Verdächtigen ein Geschworenenprozess.

Doch auch abseits der von den Behörden vermuteten Verbindung zu „alpen-donau.info“ war Küssel in den vergangenen Jahren höchst aktiv. Dabei wurde seine Tätigkeit vom Verfassungsschutz akribisch dokumentiert. Unter besonderer Beobachtung stand ein Wohnhaus in der Unteren Donaustraße in Wien-Leopoldstadt.

Das Gebäude könnte durchaus als eine Art Hauptquartier der rechten Elite der Republik durchgehen. Küssel besitzt hier seit zehn Jahren drei Wohnungen. Im Erdgeschoß betrieb er den „Nationalen Bioladen Naturnah“, der jedoch nicht mehr im Firmenbuch aufscheint. Interessanter als das Geschäft dürfte ohnehin ein Verein sein, der an der gleichen Adresse sein Lokal betreibt. Seit 1990 besteht die „Wiener Akademische Ferialverbindung Reich“.

Küssel ist Kassier und Schriftführer, den Vorsitz führen Lucas T. (er entstammt dem seinerzeitigen Vapo-Umfeld) und Viktor H. Sein Name wird mehrfach im Ermittlungsakt zur „alpen-donau.info“-Webseite genannt. In der Vergangenheit fanden dort für „Reichsbrüder und Gäste“ unter anderem ein Vortrag zum Thema „Die Zersetzer – Wer vernichtet Volk und Land?“, ein „Reichswaffentag“ sowie das „Karfreitägliche Steltzenessen“ (sic!)statt.

Außer Küssel besitzt der in der rechten Szene ebenfalls bekannte Wilhelm E. zahlreiche Wohnungen in der Unteren Donaustraße. Er war einst Obmann der „National Konservativen Union“, wetterte öffentlich gegen die Wehrmachtsausstellung und betreibt im Internet einen verwaisten Weblog („Gedanken wider den Zeitgeist“).

Weitere Nachbarn im Haus am Donaukanal sind Küssels alter Vapo-Kamerad Stefan T. (er unterhält dort einen Firmensitz), Helmut Z. (einst rechte Burschenschaft „Tafelrunde zu Wien“) sowie Felix B., der ebenfalls dem „alpen-donau.info“-Dunstkreis angehören soll und der seinen Mentor regelmäßig bei Ausflügen zu Veranstaltungen der Szene begleitet hat – beispielsweise zu einem vielbeachteten „Gedenkmarsch“ (2004) namhafter Rechtsextremer für den österreichischen Jagdflieger Walter Nowotny, der am Wiener Zentralfriedhof begraben liegt und dem aufgrund seiner NSDAP-Vergangenheit das Ehrengrab aberkannt wurde.

Unterwegs in Dresden und Brünn

2007 begleitete B. seinen Freund Küssel zu einem Sommerfest des äußerst rechten „Bundes freier Jugend“. Küssel trat dort im für die SA typischen Braunhemd auf. Ein Jahr später beobachtete der Verfassungsschutz Küssel bei einer Anti-EU-Demonstration in Wien, zu der u.a. die „Kronen Zeitung“ aufgerufen hatte. Mit ihm (und den EU-Skeptikern) marschierten sein derzeit inhaftierter Kompagnon R. und mehrere Dutzend Neonazis, die anstatt der Aussetzung des EU-Vertrages lautstark die Freilassung des wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilten Gerd Honsik forderten.

2009 und 2010 war Küssel mit mehreren Personen aus dem „alpen-donau.info“-Dunstkreis im Ausland aktiv. Im tschechischen Brünn hielt er bei einem Aufmarsch von Gleichgesinnten eine in der Szene viel beachtete Rede. In Dresden besuchte ein Trupp aus Wien eine traditionelle Neonazi-Demo. Auch einer FPÖ-Ersatzveranstaltung für das 2009 abgesagte Ulrichsbergtreffen (Kärnten) stattete Küssel einen Besuch ab. Begleitet wurde er damals von seinem alten Vapo-Kameraden Hans-Jörg Schimanek jun. sowie mehreren Szenegrößen aus Deutschland.

Auf einen Blick

Nach den Festnahmen in der Homepage-Causa (alpen-donau.info) drohen dem seinerzeitigen Neonazi-Frontmann Gottfried Küssel und dem zweiten Festgenommenen, R., ein Prozess wegen NS-Wiederbetätigung. Küssel war zuletzt in der rechtsextremen Szene hoch aktiv.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2011)

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