Analyse: Was den neuen ÖVP-Chef erwartet

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Analyse neuen oeVPChef erwartet(c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
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Die ÖVP hat ein strukturelles, ein urbanes und ein ideologisches Problem. Prölls Nachfolger muss die Macht von Bünden und Ländern brechen, die Städte zurückerobern und der Partei ein neues Programm geben.

Wien. Die Erbfolge in der ÖVP war Mittwochfrüh eigentlich schon geregelt – von Josef Pröll höchstpersönlich: Michael Spindelegger sollte neben dem Außenministerium auch die Parteiführung und das Amt des Vizekanzlers übernehmen.

Doch der Plan schlug fehl. Gewichtige Landesparteien und einige Bünde (nicht der Arbeitnehmerbund ÖAAB, dessen Obmann Spindelegger ist) hatten sich im letzten Moment erfolgreich dagegen gewehrt: Die Nachfolgefrage müsse breiter diskutiert werden, hieß es. Und wieder einmal, ein letztes Mal in seiner Amtszeit, war Josef Pröll am Widerstand der mächtigen Teilorganisationen gescheitert.

Wie auch immer der neue ÖVP-Chef heißen wird (ob Michael Spindelegger, Reinhold Mitterlehner oder Maria Fekter): Er oder sie wird in erster Linie die strukturellen Probleme der Volkspartei lösen müssen. Denn mit seinen vielen Interessengruppen ist der schwarze Parteiapparat so starr geworden, dass große Reformen noch nicht einmal intern durchsetzbar sind (geschweige denn in der Koalition). Das war gleichzeitig auch Prölls größtes Manko: Gegen die Föderalisten in seiner Partei – vor allem seinen Onkel in Niederösterreich –, und die Diktatur der Bünde blieb er regelmäßig chancenlos.

Tiefstand in Wien, keine klare Linie

Das zweite Problem der ÖVP sind die Städte. Wie schwer sich die Konservativen im urbanen Raum tun, zeigte sich zuletzt bei der Wien-Wahl im vergangenen Herbst, als die Volkspartei auf den historischen Tiefstand von 14 Prozent abstürzte. Mit einem ähnlich schlechten Resultat in der Bundeshauptstadt wird die Nationalratswahl 2013 jedenfalls nicht zu gewinnen sein.

Hinzu kommt, dass die Partei nicht nur in Wien ein ideologisches Problem hat. Breite Teile der Basis beklagten zuletzt, dass niemand mehr wüsste, wofür die ÖVP eigentlich stünde: Eine klare Linie wäre weder gesellschafts- noch wirtschaftspolitisch erkennbar.

Ein Programmkongress, der Ende Mai in Innsbruck rund 500 Personen versammeln wird, soll das zwar ändern – ein ähnlich ehrgeiziges Vorhaben gab es allerdings schon einmal. Im Oktober 2007 präsentierte der damalige ÖVP-Obmann Wilhelm Molterer das sogenannte Perspektivenpapier, das in den Monaten davor entstanden war. Die dazugehörige Arbeitsgruppe hatte ein gewisser Josef Pröll geleitet – sie wollte der ÖVP ein zeitgemäßeres Antlitz verleihen.

Was blieb von der Perspektivengruppe?

Die meisten Positionen von damals entwuchsen allerdings nie dem Status einer Idee. Auf der Habenseite stehen: die Eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle, zu der sich die Volkspartei erst nach langen Debatten durchrang. Die CO2-Steuer wurde mit Jahresbeginn 2011 Realität. Und die Rot-Weiß-Rot-Card, über die die Zuwanderung nach Österreich geregelt wird, wurde überhaupt erst vor einigen Wochen beschlossen.

Andere ÖVP-Perspektiven sind mehr oder weniger friedlich eingeschlafen: die Einführung eines Mehrheitswahlrechts, E-Voting und der geplante Angriff auf das Gebührenmonopol des ORF (die Rundfunkgebühren sollten allen Anbietern öffentlich-rechtlicher Programminhalte zukommen).

Gescheitert ist außerdem ein Herzensanliegen Prölls – das Familiensplitting: Das Einkommen sollte auf alle Familienmitglieder aufgeteilt werden, wodurch es zu einer niedrigeren Besteuerung des Einkommens kommen würde. Andere Forderungen wirken heute, unter dem Spardruck des baldigen Ex-Finanzministers, einigermaßen skurril: So stand im Perspektivenpapier, dass alle Kinder nach der Volksschule einen Laptop für ihren weiteren Bildungsweg erhalten sollten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2011)

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