Der »Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem« zählt nicht nur Kardinal Schönborn zu seinen Mitgliedern, sondern auch ÖVP-Obmann Michael Spindelegger. Die Organisation unterstützt die Christen in Israel.
Man besucht einander regelmäßig, alle paar Wochen einmal, manchmal liegen auch Monate dazwischen. Meistens pilgert Kardinal Christoph Schönborn dann von der Erzdiözese am Wiener Stephansplatz ins Außenministerium am Minoritenplatz, um dort von Michael Spindelegger in Empfang genommen zu werden.
Die Gespräche finden meist unter vier Augen statt, nach außen dringt selten etwas. Die beiden hätten einen guten Draht zueinander, heißt es aus dem Umfeld des Vizekanzlers. Gröbere Ungereimtheiten sind jedenfalls nicht überliefert: Seit Alois Mock hat sich kein ÖVP-Obmann mehr der christlichen Soziallehre so sehr verpflichtet gefühlt wie Spindelegger.
430 Mitglieder in Österreich. Mit dem Kardinal teilt der Vizekanzler aber nicht nur eine ähnliche Weltanschauung, sondern auch ein idealistisches Hobby: Beide sind Mitglied im „Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem“, einer päpstlich anerkannten Gemeinschaft katholischer Laien und Priester, die weltweit über 22.000 Mitglieder zählt. In Österreich sind es derzeit rund 430.
Bei Hochämtern tragen die Ritter einen Mantel aus elfenbeinweißem Tuch, unter der linken Schulter ist ein 25 Zentimeter großes Jerusalemkreuz in Rot angebracht. Ihr Leitspruch lautet: „Gott will es.“
Seine Hauptaufgabe erachtet der Orden in der Unterstützung der Christen im Heiligen Land: spirituell und finanziell. Er unterhält dort eine Vielzahl von Kirchen, Schulen und sozialen Einrichtungen. Allein aus der österreichischen Statthalterei flossen im Vorjahr gut 250.000 Euro nach Israel: teils über die Ordensleitung in Rom, teilweise werden die Mittel aber auch persönlich übergeben. Sich und seine Projekte finanziert der Bund über Mitgliedsbeiträge (rund 60 Euro monatlich pro Person) und Spenden.
Spindelegger gehört ihm seit zwei Jahren an. Im Juni 2009 wurde er in der Hauskapelle der Apostolischen Nuntiatur in Wien zum Ritter geschlagen, vom Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser, dem „Großprior“, wie das geistliche Ordensoberhaupt genannt wird.
Der höchste Repräsentant ist allerdings ein Laie und trägt den Titel Statthalter. Seit 2008 füllt Karl Lengheimer diese Funktion aus, ein pensionierter Verwaltungsjurist, der lange Jahre dem Land Niederösterreich diente: als Klubdirektor der ÖVP und Landtagsdirektor. Später war er Mitglied im Österreich-Konvent, der ein Konzept für eine Staatsreform erarbeitete, politisch jedoch bis heute ungehört blieb. ÖVP-Bezirksrat in Wieden, dem vierten Wiener Gemeindebezirk, ist Lengheimer immer noch.
Der „Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem“ sei weniger geheimnisvoll, als er anmuten mag, sagt der Statthalter. Es handle sich um eine humanitäre Organisation, die vorwiegend von Laien getragen werde, vergleichbar am ehesten mit dem Malteser-Orden. „Ein Geheimbund wie die Freimaurer und zum Teil der Cartellverband sind wir nicht.“ Auch die Zuschreibung „elitär“ treffe nicht oder jedenfalls nicht mehr zu: Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Mitgliedschaft noch wenigen vorbehalten, heute kann praktisch jeder beitreten – Frauen genauso (was sie in zunehmendem Maße auch tun).
Wer sich dem Orden anschließen will, muss jedoch gewisse Voraussetzungen erfüllen: bereit sein, im Heiligen Land (finanziell) etwas beizutragen und einen sittsamen Lebenswandel pflegen, gemäß den Lehren der katholischen Kirche. Päpstlicher als der Papst sind die Ritter aber nicht: Die Scheidung vom Ehepartner wird unter gewissen Umständen geduldet. „Wir wollen nicht in die vorkonziliare Periode zurück“, sagt Lengheimer.
Spindeleggers Wertehaltung passt in dieses Anforderungsprofil, er wurde von der Wiener Komturei des Ordens angeworben, als er noch Zweiter Präsident des Nationalrats war. Dass er zum Außenminister und später noch weiter aufstieg, wird der ritterlichen Mission eher nicht zuwiderlaufen.
Politisch versteht sich die Organisation als „neutral“, im Inland wie im Heiligen Land: Wenn auch die Mehrheit der Christen in Israel Palästinenser seien, „ergreifen wir nicht Partei gegen die Israelis“, sagt der Statthalter in Österreich. Im Inland gebe es keine parteipolitische Schlagseite: „Theoretisch kann bei uns auch ein FPÖ-Mitglied beitreten, wenn es sich den christlichen Werten verpflichtet fühlt.“
Josef Kalina als PR-Mann? Ein wenig ist Lengheimer dennoch in Sorge, dass mit einem Vizekanzler und ÖVP-Chef in der Gemeinschaft der Eindruck entstehen könnte, bei den Rittern handle es sich um eine verschwörerische Organisation. Deshalb will er nun Vorsorge treffen und die Öffentlichkeitsarbeit vorantreiben – auch, um mehr Mitglieder und damit mehr Geld für die Christen im Heiligen Land zu lukrieren.
Gespräche gibt es unter anderem mit einer PR-Agentur, deren Chef so gar nicht mit der katholischen Kirche in Verbindung gebracht werden würde: ein gewisser Josef Kalina nämlich, einst Pressesprecher von Viktor Klima und unter Alfred Gusenbauer Bundesgeschäftsführer der SPÖ.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2011)