Koalition: Maßnahmenbündel soll Stillstand beenden

Koalition Massnahmenbuendel soll Stillstand
Koalition Massnahmenbuendel soll Stillstand
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In einer zweitägige Regierungsklausur am Semmering fixieren SPÖ und ÖVP Pläne zu Bildung, Wirtschaft, Gesundheit, Justiz, Europa und Familie.
Die Koalition möchte ihre gemeinsame Energie zu demonstrieren.

Wien. Die Koalitionsparteien, zuletzt von der Opposition und der Öffentlichkeit des „Reformunwillens“ geziehen, wollen ab heute, Montag, gegensteuern: Im Grandhotel Panhans am Semmering ist um 10 Uhr bei Kaiserwetter und unter Mediengetöse die zweitägige Regierungsklausur von SPÖ und ÖVP gestartet. Drei Arbeitssitzungen sind geplant, um ein "Paket zum leistungsfähigen Staat" zu schnüren.

Wie „Die Presse“ vorab erfuhr, soll dieses vor allem folgende Themen bedienen: Bildung und Wissenschaft, Wirtschaft und Arbeit, Gesundheit und Pflege, Europa, Inneres und Justiz, Energie, Umwelt und Landwirtschaft – und nicht zuletzt das Kernstreitthema in der Koalition, die Familie.

Hier erste Details laut „Presse“-Informationen:

• Bildung und Wissenschaft: Wie in Grundzügen schon 2010 fixiert, soll die Nachmittagsbetreuung an Schulen ausgebaut werden. Bis 2014 will der Bund jährlich 80 Millionen Euro dafür aufwenden, mit dem Herbstsemester 2011 soll es losgehen. Ebenfalls ab Herbst 2011 im großen Stil umgesetzt werden wird der Ausbau der Neuen Mittelschule (NMS). Aktuell sind bereits 320 ehemalige Hauptschulen NMS mit mehr Stunden und Lehrkräften zur Förderung der Schüler; bis spätestens 2020 sollen alle Hauptschulen diesem Modell entsprechen.

Einen Schwerpunkt will Rot-Schwarz mit einer „dualen Ausbildung – neu“ setzen: Die Durchlässigkeit des gesamten Schulsystems soll größer werden, Lehrlinge sollen bessere Chancen – auch auf die Matura – bekommen. Die Ausbildungen von Bundes- (AHS, BHS) und Landeslehrern (Pflichtschulen) an den pädagogischen Hochschulen soll angeglichen und durchlässiger werden – Start: ebenfalls im Herbst 2011.


• Wirtschaft und Arbeit: Rot-Schwarz setzen auf eine „Internationalisierung der österreichischen Wirtschaft“, wie man vorab betonte. Gelingen soll das mit einer Exportoffensive und Förderpaketen für Klein- und Mittelbetriebe, damit sie ihre Forschung ankurbeln, geplant ist ein eigener „Technologiescheck“. Insgesamt wollen die Koalitionsparteien damit Investitionen von 2,5 Milliarden Euro ermöglichen, hieß es am Sonntag.

• Gesundheit und Pflege: Bereits vorab akkordiert wurde das neue Pflegepaket. Zentraler Baustein ist ein Pflegefonds, für den zu zwei Dritteln der Bund und zu einem Drittel Länder und Gemeinden aufkommen. Bis 2014 wird er 685 Millionen Euro zählen, damit sollen die zusätzlichen Kosten von Ländern und Gemeinden bei der Pflege in den Jahren 2011 bis 2014 gedeckt werden. Von 303 auszahlenden Stellen in ganz Österreich will man zu einer „Handvoll“ auf Bundesebene kommen. „Ein Vorbild für die Gesundheitsreform“, heißt es bei Rot-Schwarz.

Außerdem geplant ist eine Pflegedienstleistungsdatenbank, die bei der Statistik Austria entstehen soll und für die alle Bundesländer die Daten über die Dienstleistungen unentgeltlich liefern sollen. Hier gab es bis zuletzt Widerstände aus Salzburg oder der Steiermark. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) hält aber an seinen Entwürfen fest.


• Inneres und Justiz: Geplant ist unter anderem die Schaffung eines Bundesamtes für Asyl und Migration. Entstehen soll auch eine „Fremdenpolizei neu“ mit 200 neuen Polizisten, die ab Herbst 2011 den Kampf gegen die Illegalität verstärken sollen.

Für den Bereich Justiz wurde bereits ein neues Lobbyistengesetz angekündigt, das nach Plänen von Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) ein Lobbyistenregister, Sanktionen und eine Unvereinbarkeitsbestimmung für Funktionsträger vorsieht („Die Presse“ berichtete). Außerdem geplant ist die „Straffung der Instanzen“. Mithilfe einer (Landes-)Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz sollen mehr als 100Sonderbehörden eingespart werden.

• Europa: Sowohl Kanzler Werner Faymann (SPÖ) als auch sein Vize, Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP), zielen auf eine bessere Nutzung der „Donauraum-Strategie“ durch Österreich ab – also auf das Abschöpfen von (mehr) Geld aus EU-Förderprogrammen für (gemeinsame) Aktionen von Donau-Anrainerstaaten in der EU. 95Milliarden Euro stehen für die Jahre 2007 bis 2013 aus Mitteln der Kohäsionspolitik zur Verfügung.


• Familie: SPÖ und ÖVP betonen, den Ausbau der Kinderbetreuung vorantreiben zu wollen: Zusätzlich 5000 Kindergarten- und Kinderkrippenplätze sollen demnächst pro Jahr entstehen. Jährlich 15 Millionen Euro sollen 2012, 2013 und 2014 in das Vorhaben fließen. Ziel sei eine „bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ – vor allem für Mütter–, so heißt es in beiden Parteien. Über viele andere Sach- und Geldleistungen gehen die Meinungen noch auseinander.


• Energie, Umwelt und Landwirtschaft: Innen- und EU-politischen Zündstoff birgt der gemeinsame Plan, Österreich bis 2015 „atomfrei“ zu bekommen: Mit Atomstrom aus ausländischen Quellen solle es dann definitiv vorbei sein, hieß es im Vorfeld der Regierungsklausur. Gelingen solle das mit einem neuen Energieeffizienz- und neuen Ökostromgesetz, wonach unter anderem auch die Forschung zu erneuerbaren Energien gefördert werden soll. Beim Projekt „Atomfrei“ gehe es aber auch darum, „dass die Regierung rasch viele Bündnispartner auf EU-Ebene gegen den Atomstrom gewinnt“. Entsprechende Initiativen von Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) müssten fortgesetzt und verstärkt werden, so hieß es.

Insgesamt mehr als 90 Maßnahmen und Gesetzesentwürfe zu den genannten Themen soll das neue rot-schwarze Paket umfassen. Von der Opposition kamen im Vorfeld der Klausur kritische bis hämische Stimmen: FPÖ, BZÖ und Grüne erwarteten, dass es zu keinen echten Fortschritten kommen werde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30. Mai 2011)

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