Agrargemeinschaften: Grundbesitzstreit vor Höchstgericht

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Um die Millionenerträge von Tiroler Grundstücken wird zwischen Gemeinden und Agrargemeinschaften bereits seit Jahrzehnten erbittert gekämpft. Schon 15 Beschwerden sind beim Verwaltungsgerichtshof gelandet.

Tirol/Wien. Der jahrzehntelange Streit um Grundbesitz zwischen Gemeinden und Agrargemeinschaften in Tirol geht nun vor dem Höchstgericht in die Fortsetzung: Etwa 2000 Quadratkilometer – eine Fläche so groß wie Osttirol – und dadurch zwischen 30 und 50 Millionen jährlichem Gewinn müssen aufgeteilt werden. In einem jahrelangen Prozess wurden vom Tiroler Agrarsenat etliche Grundflächen als Gemeindegut oder Agrargemeinschaftsbesitz ausgewiesen. Nun fordern beide Parteien reihenweise Neubewertungen, da in ersterem Fall die Erlöse aus dem Substanzwert an die Gemeinde gehen, während sonst alle Gewinne der Agrargemeinschaft zustehen.

Mittlerweile wurden bereits 15 Beschwerden von Agrargemeinschaften und Gemeinden entschieden. „Die von der Agrarbehörde vorgenommenen Zuordnungen treffen nun verständlicherweise auf Widerstand der jeweils benachteiligten Seite“, erläutert der Sprecher des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) Heinz Kail.

Die Vorgeschichte: Die Nutzung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke durch eine organisierte Agrargemeinschaft von Nutzungsberechtigten hat im ganzen Alpenraum eine lange Tradition. Ursprünglich aus bäuerlichen Zusammenschlüssen entstanden, dominieren in den heutigen Gemeinschaften jedoch die Nichtagrarier. Einige dieser Gemeinschaften verfügen nun über beträchtliche Immobilienwerte und agieren als gut organisierte Wirtschaftskörper auch außerhalb der ursprünglichen Produktion.

Gemeinden warten auf Geld

Das ist vor allem der Übertragung von 2000 bis 3000 Quadratkilometer Gemeindegrund in den Besitz von 400 Agrargemeinschaften zu verdanken, die in den 1950er- und 1960er-Jahren stattgefunden hat. Allerdings hätten sie das ihnen übertragene Gemeindegut nur treuhändisch verwalten dürfen. Gewinne aus dem Substanzwert – von Jagdpacht über Dienste für Lifte bis zu Erlösen aus Autobahnraststätten oder Verkauf von Bauland – sind an die Gemeinden abzuführen, auch rückwirkend. Allerdings warten viele Gemeinden noch immer auf die ihnen zustehenden Zahlungen.

Bereits 1982 wurde diese Grundübertragung vom Verfassungsgerichtshof als rechtswidrig kritisiert, zog jedoch in der Praxis kaum Konsequenzen nach sich. Im Juni 2008 wurde schließlich nach einer Klage der Gemeinde Mieders vom Verwaltungsgerichtshof eindeutig festgestellt, dass die Gemeinden über das Gemeindegut verfügungsberechtigt seien.

Nach heftigen politischen Debatten und einer Novellierung des Tiroler Flurverfassungsgesetzes steht mittlerweile fest, dass die Agrargemeinschaften zwei Rechnungskreise führen müssen. Einen basierend auf der Wald- und Weidenutzung, den zweiten für den Substanzwert, welcher den Gemeinden zusteht.

Bei 14 von den Agrargemeinschaften angestrengten Höchstgerichtsklagen wurden diesen bei fünf teilweise oder ganz stattgegeben. Es stehen noch 40 weitere Fälle offen, welche voraussichtlich im Herbst behandelt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2011)

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