Bezug der Mindestsicherung: Wien ist weit vorn

(c) Clemens Fabry
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In der Bundeshauptstadt gibt es rund sechs Mal so viele Empfänger wie in Niederösterreich. Oberösterreich führt die Zahlung rückwirkend ein. Die Arbeiterkammer fordert eine Erhöhung von 753 auf 994 EUR im Monat.

Wien. In Wien ist der Zulauf zur Mindestsicherung, der früheren Sozialhilfe der Bundesländer, besonders stark. Allein bei den Personen im erwerbsfähigen Alter, die via Arbeitsmarktservice (AMS) zu einer Mindestsicherung kommen, lag Wien nach den jüngsten der „Presse“ vorliegenden Daten von Ende Juli mit knapp 16.000 Beziehern – von bundesweit fast 22.000 – weit vor dem ebenfalls bevölkerungsreichen Niederösterreich. Dort wurden knapp 2600 Personen vom AMS verzeichnet. Das ist ein Sechstel der Wiener Empfängerzahl (siehe Grafik unten).

Die Gesamtzahl der Bezieher liegt aber wesentlich höher, weil beispielsweise Menschen über dem Erwerbsalter noch dazukommen. Aber auch in Summe zeigt sich ein ähnliches Bild. Wie im Büro der in Niederösterreich zuständigen Landesrätin, Barbara Schwarz (ÖVP), erläutert wird, stehen über das Jahr gerechnet rund 11.000 Mindestsicherungsbezieher in Niederösterreich etwa 70.000 in Wien gegenüber.

Allerdings hat in Wien der Andrang nach der Umstellung auf die Mindestsicherung deutlich zugenommen. Zuletzt war bereits von rund 83.000 Empfängern die Rede.

Die Höchstsumme der Mindestsicherung macht heuer österreichweit einheitlich 752,93 Euro netto für Alleinstehende aus. Für Ehepaare gibt es 1129,40 Euro. Pro Kind gibt es einen Mindestbetrag von 143,06 Euro. Die rot-grüne Wiener Stadtregierung ist aber beispielsweise großzügiger und hat den Richtsatz für Kinder seit März auf 203 Euro angehoben.

Oberösterreich: Beschluss im Juli

Die sogenannte bedarfsorientierte Mindestsicherung wurde im September des Vorjahres vorerst in Wien, Niederösterreich und Salzburg statt der bisherigen Sozialhilfe der Länder eingeführt. Die anderen Bundesländer haben nachgezogen. Oberösterreich hat als Nachzügler unter den Ländern nun die Regelung Anfang Juli im Landtag beschlossen.

Die Mindestsicherung kommt demnach in Oberösterreich mit rückwirkender Auszahlung ebenfalls ab 1. September 2010 zum Einsatz. Oberösterreich gewährte schon bisher im Ländervergleich höhere Sozialhilfetarife. Dort wird nun auch die Mindestsicherung knapp 822 Euro für Alleinstehende ausmachen, für Paare sind es dort 1158 Euro.

Es gibt unterschiedliche Begründungen für die deutlich höhere Zahl an Beziehern der Mindestsicherung in Wien. Generell ist im städtischen Bereich die Scheu, dieses unterste Netz im Sozialbereich im Anspruch zu nehmen, niedriger als in ländlichen Regionen. Außerdem handelt es sich in vielen Fällen bei den Beziehern einer Mindestsicherung um Personen, die Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe beziehen, die jeweils weniger als 753 Euro im Monat ausmacht. Dann wird die Differenz zwischen Arbeitslosengeld und Mindestsicherung durch Auszahlung des fehlenden Betrags aufgestockt. Während die Arbeitslosenrate in Österreich zurückgegangen ist, kämpft Wien immer noch mit einem hohen Anteil an Beschäftigungslosen.

„Strenger bei Bewilligungen“

In Niederösterreich wird als ein Grund überdies die strenge Einhaltung der Vorschriften im Land angesehen. „Bei uns wird bei den Bewilligungen schon sehr strikt gehandelt“, wird im Büro von Landesrätin Schwarz versichert. Als Beleg dafür wird darauf hingewiesen, dass auf rund 10.000 Anträge circa 6000 positive Erledigungen kommen.

Schon in der Vergangenheit wurde die bundesweite Zahl der Sozialhilfeempfänger erst lange im Nachhinein wegen der teilweise schleppenden Übermittlung der Daten durch die Länder publik. Das Einspeichern der Statistiken über die Mindestsicherung ist auch jetzt teilweise noch lückenhaft, weil das Gesetz dafür in der Umstellungsphase einen Übergangszeitraum lässt.

Quelle: AMS, Grafik: Die Presse

Druck auf die Bundesregierung

Von Arbeitnehmerseite steigt bereits der Druck auf den Bund, die Mindestsicherung und auch die Höhe des Arbeitslosengeldes anzuheben. Zuständig ist dafür Sozialminister Ex-ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer (SPÖ).

Vorgeprescht ist mit diesem Anliegen jetzt die Arbeiterkammer Oberösterreich mit ihrem Präsidenten Johann Kalliauer. Dennis Tamesberger von der Wirtschaftsabteilung verweist wie Kalliauer darauf, dass Österreich mit einer Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld von 55 Prozent gegenüber dem früheren Lohn im internationalen Vergleich hinten liegt. Damit werde die Armutsschwelle von 994 Euro im Monat (das sind 60 Prozent des Medianeinkommens) weder mit der Mindestsicherung noch im Schnitt mit Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe erreicht. Denn das Arbeitslosengeld machte im Vorjahr im Schnitt in Oberösterreich 831 Euro im Monat aus, die Notstandshilfe nur 639 Euro.

Daher solle die Mindestsicherung von knapp 753 Euro auf 994 Euro angehoben werden, damit die Zahl der Personen, die von Armut bedroht sind, sinkt. Um den Abstand zu den Bezügen von Berufstätigen zu wahren, solle es einen Mindestlohn von 1300 Euro geben. Weiters müsse das Arbeitslosengeld erhöht wird. Letzterem ist Hundstorfer bisher mit dem Argument reserviert gegenübergestanden, es gebe in Österreich unter anderem im internationalen Vergleich höhere Zuschläge.

Auf einen Blick

Die Mindestsicherung beträgt bundesweit heuer 752,93 Euro netto für Alleinstehende und 1129,40 Euro für Paare. Der Mindestsatz für Kinder liegt bei 143,06 Euro. In Wien haben nach den Juli-Zahlen des AMS knapp 16.000 Personen im erwerbsfähigen Alter die Mindestsicherung bezogen, dies in rund 10.500 Fällen als Zuzahlung zu niedrigem Lohn oder Arbeitslosengeld.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2011)

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