ÖBB-Gewerkschafter Haberzettel steigt aus ‎

Wilhelm Haberzettl
Wilhelm HaberzettlClemens Fabry
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Der Eisenbahnergewerkschaftschef Wilhelm Haberzettl tritt aus "persönlichen Gründen" von allen Funktionen zurück. Dem Nationalrat bleibt er erhalten.

Mit 56 will er Platz machen für junge Talente: Wilhelm Haberzettl hat am Samstag seinen Rückzug aus seinen Gewerkschaftsfunktionen bekanntgegeben. Der oberste Eisenbahngewerkschafter begann 1972 als Fahrdienstleiter bei den ÖBB, mit Jahresbeginn 2012 wird er nun Geschäftsführer der Gemeinnützigen allgemeinen Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft (BWS). Sein SPÖ-Nationalratsmandat will er weiter ausüben, erklärte Haberzettl.

"Ich werde mit 22. November 2011 mein Mandat als Konzernbetriebsratsvorsitzender der ÖBB zurücklegen und mich bis Jahresende sukzessive aus sämtlichen Gewerkschafts- und Betriebsratsfunktionen zurückziehen", so der oberste Bahngewerkschafter. Die zuständigen Gremien sowohl in der Gewerkschaft als auch in der Betriebsratsorganisation würden fristgerecht alle notwendigen Entscheidungen und Beschlüsse fällen.

Aus wie er selbst sagte "persönlichen Gründen" sei es Zeit für eine berufliche Veränderung und dafür, "jüngeren Talenten Platz zu machen". So meinte Haberzettl in einer Stellungnahme: "Ein gereifter Funktionär sollte auch die Kraft und den Mut besitzen, loslassen zu können." Kolportierte Meinungsverschiedenheiten mit der SPÖ-Spitze als Grund für seinen Rückzug bezeichnete man in der Bundespartei als "an den Haaren herbeigezogen".

ÖBB bedauert

Vonseiten der Bundesbahn wurde sein Rückzug heute Samstag knapp kommentiert. "Wir bedauern den Abgang von Wilhelm Haberzettl", sagte eine Sprecherin der ÖBB. Es handle sich um eine "persönliche Entscheidung", die zu respektieren sei.

"Alle Räder stehen still"

In den Zeiten der schwarz-blauen Regierung war Haberzettl Streikführer und setzte machtbewusst die Kampfansage der Gewerkschaft "Alle Räder stehen still" gegen die Vorhaben der damaligen ÖBB-Führung und der Politik um. Im Rahmen der Proteste gegen einen Eingriff in das Eisenbahnerdienstrecht standen im November 2003 die Züge 66 Stunden still. Im Sommer davor - im Zuge der Gewerkschaftsproteste gegen die Pensionsreform - hatte der oberste Eisenbahner die ÖBB bereits in ihren ersten groß angelegten Streik seit fast 40 Jahren geführt.

Immer weniger Gegner

Nach dem Abgang der Schüssel-Regierung und der Rücknahme der ÖBB-Strukturreform durch die große Koalition, wodurch die Zersplitterung der Bahn in Teilgesellschaften großteils wieder aufgehoben wurde, wurde es ruhiger um den streitbaren Gewerkschafter. Mit dem ÖVP-Politiker und ÖBB-Kritiker Reinhold Lopatka focht er zwar noch einige harte Kämpfe zu Pensions- und Subventionsthemen aus, doch als Lopatka ging, wurde auch der Konflikt mit der ÖVP leiser. Zuletzt gingen Haberzettl irgendwie die Gegner aus: Sowohl Verkehrsministerin Doris Bures als auch Bahn-Chef Christian Kern zählen ja zu seiner eigenen sozialdemokratischen Gesinnungsgemeinschaft. Mit Kern blieb das Verhältnis nach außen zumindest korrekt. Haberzettl streute Kern zu Beginn Rosen, später wehrte er sich laut, wenn vom Bahn-Boss Eingriffe ins Eisenbahnerdienstrecht auch nur angedacht wurden.

Neuer Job als Geschäftsführer der BWS

Nun zieht es den "Wilden Willi" von damals offenbar in ruhigere Bahnen. Haberzettl will SPÖ-Nationalratsabgeordneter bleiben und ab 2012 als Geschäftsführer der Gemeinnützigen Allgemeinen Bau-, Wohn-und Siedlungsgenossenschaft (BWS) agieren. Die Pension hat Haberzettl, der bereits jetzt mit 56 über dem Durchschnittspensionsantrittsalter der Bundesbahner liegt, noch nicht anvisiert.

"Willis" Werdegang

Der gebürtige Niederösterreicher ist gelernter Fahrdienstleiter und ein Urgestein der Bahn. Er hat sich rasch in der Gewerkschafts-Hierarchie hochgearbeitet und galt lange manchen als geheimer Chef der ÖBB. Dazu beigetragen hat seine Entschlossenheit gepaart mit Dialogfähigkeit, strategischem Geschick und herbem Charme.

ÖBB wurde ihm in die Wiege gelegt

Haberzettl ist ein Eisenbahner durch und durch: Schon sein Vater war bei der Bahn, er selbst ist seit seinem 17. Lebensjahr bei den ÖBB und sein Sohn ist auch Eisenbahner geworden. Geboren in St. Pölten am 2. Juli 1955 startete er seine ÖBB-Karriere am Bahnhof Zell am See. Nach Abschluss der dort absolvierten Ausbildung avancierte er zum Fahrdienstleiter, ein Posten, der ihn durch 14 Salzburger Bahnhöfe von Krimml bis zum Hauptbahnhof der Landeshauptstadt führte.

Keine Konkurrenz in Sicht

In der Bundesbahn machte Haberzettl eine steile gewerkschaftliche Karriere bis ganz an die Spitze. Schon 1976, vier Jahre nach seinem Eintritt, wurde er zur Vertrauensperson. Von 1998 bis 2005 war er Vorsitzender des Zentralausschusses der ÖBB, ab 2006 dann Chef der Konzernvertretung der Bundesbahn. Die roten Gewerkschafter haben bahnintern keine echte Konkurrenz: Die Wahlergebnisse für die FSG bei Betriebsratswahlen liegen regelmäßig zwischen 90 und 100 Prozent.

Der Chef der Eisenbahnergewerkschaft

1995 wurde Haberzettl zum Vorsitzenden-Stellvertreter der Gewerkschaft der Eisenbahner (GdE) gewählt, zwei Jahre danach übernahm er die Spitze der Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG). Im Herbst 1999 wurde Haberzettl Chef der Eisenbahnergewerkschaft, was er bis zur Neuorganisation der Eisenbahner in der Gewerkschaft vida auch blieb. Von Dezember 2006 bis heute agierte er dann als Chef der Sektion Verkehr und stellvertretender Vorsitzender der vida.

Internationale Erfolge

Haberzettls Wirken hörte aber nicht an Österreichs Grenzen auf, sondern er war auch in der internationalen Gewerkschaftspolitik über ein Jahrzehnt aktiv. Von 1998 bis 2010 war er Vizepräsident der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) und von 1999 bis 2009 Präsident der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF). Privat gilt er als Mehlspeistiger und nennt als Hobbies Tauchen, Skifahren und Lesen. Er ist geschieden und hat einen Sohn.

(APA)

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