Faymann: Atemnot auf Brüsseler Gipfeln

Faymann Atemnot Bruesseler Gipfeln
Faymann Atemnot Bruesseler Gipfeln(c) AP (Geert Vanden Wijngaert)
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Seit Monaten ist klar, dass auf die EU tiefgreifende Änderungen zurollen. Doch Kanzler Werner Faymann wirkt von der europäischen Dynamik stets überrascht. Ist er schlecht beraten?

Werner Faymann ist ein gut erzogener Mensch, er ist ebenso freundlich wie unverbindlich. So auch beim EU-Gipfel in Brüssel, der in der Nacht auf Freitag die Weichen für die Zukunft des Euro gestellt hat. Bloß hatte Faymanns Zurückhaltung dieses Mal einen festen innenpolitischen Grund. Denn die lange Brüsseler Nacht bescherte ihm und seiner SPÖ am Morgen danach ein unsanftes Erwachen. Künftig werden Richter am Gerichtshof der EU in Luxemburg darüber befinden, in welchem Rahmen der Nationalrat neue Schulden beschließen darf.

Das berührt Österreichs Interessen. Für diesen Fall sollten Vertragsänderungen „durch eine Volksabstimmung entschieden werden“, hat Faymann 2008 in der „Kronen Zeitung“ versprochen. Nun holt ihn die europäische Realität ein. Denn er weiß: Ein EU-Referendum gewinnt er nie und nimmer.

So groß ist der Leidensdruck des Kanzlers, dass er beim Gipfel im Oktober kurz aus dem Verhandlungssaal huschte, um seinen wichtigsten Berater anzurufen: Claus Pándi, Innenpolitik-Chef der „Krone“ und mit des Kanzlers ehemaliger Pressesprecherin Angelika Feigl verheiratet. Wie man mit dem Umstand umgehe, dass Merkel auf eine Vertragsänderung poche, wollte Faymann von Pándi wissen. So fand sich tags darauf in der „Krone“ kein Wort darüber, dass auf die Union große Änderungen zurollen.

Das wirft die Frage auf, wieso Faymann von diesen politischen Entwicklungen so lange nichts mitbekommen zu haben scheint. Versagen seine Berater? An Fachkenntnis mangelt es in Faymanns Stab nicht. Kabinettschefin Nicole Bayer ist seit 1996 im Kanzleramt, hat sich dort schon unter Vorgänger Alfred Gusenbauer ihre Sporen verdient. Mit Judith Gebetsroithner hat der Kanzler eine ausgewiesene EU-Expertin im Kabinett. Sie war im Stab der damaligen EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner, war später stellvertretende EU-Botschafterin in Brüssel. Doch Gebetsroithner scheint dasselbe Schicksal zu erleiden wie Jürgen Meindl. Der Diplomat wurde als Faymanns stellvertretender Kabinettschef kalt abserviert und auf den Botschafterposten in Bern entsorgt.

Wieso misstraut der Kanzler den Experten? Weil sie ihm unangenehme Nachrichten nicht ersparen? Etwa jene, dass eine EU-Bürgerinitiative für ein europaweites Atomkraftverbot rechtlich nicht zulässig ist? Mit diesem Vorbringen holte sich Faymann heuer in Brüssel eine Abfuhr.

Auch in der Eurokrise hatte man lange Zeit den Eindruck, Faymann drücke beide Augen fest zu. Doch vor ein paar Wochen hatte er sein Damaszener Erlebnis. Plötzlich nahmen die Investoren auch Österreich aufs Korn. Täglich telefoniert Faymann seither mit Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny. Und so hörte man am Freitag gar erstaunliche Einsichten vom Kanzler: „Wenn man mit dem Geld nicht mehr auskommt und die Anleihen, die man auflegt, nicht mehr zu angemessenen Zinsen verkaufen kann, dann verliert man die Souveränität.“ Diese Einsicht führte wohl zur Ankündigung eines Sparpakets über 1,5Milliarden Euro. Ob das seinem zweiten wirtschaftspolitischen Zitatgeber Werner Muhm von der Arbeiterkammer Wien gefallen wird, sei dahingestellt.

Und auch die Parteizentrale blickt mit wachsender Unruhe auf die Dinge, die aus Europa hereinschneien. Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas hat darum zwei Gefolgsleute in Faymanns Kabinett installiert. Nedeljko Bilalić soll als Pressesprecher die Message kontrollieren. Dabei vergisst er bisweilen, dass auf dem internationalen Parkett andere Gepflogenheiten herrschen als in Fünfhaus. Gefällt ihm ein Bericht nicht, kann Bilalić recht laut werden, was bei ausländischen Korrespondenten bereits für Erstaunen gesorgt hat.

Raphael Sternfeld soll sich mit internationalen Fragen beschäftigen – etwas, wofür ihn seine bisherige Erfahrung in den Weiten der Josefstädter Bezirkspolitik nicht unbedingt auszuzeichnen scheint. Inhaltliche Fragen wimmelt er während der Gipfel genervt ab. Beobachter meinen, er sei derzeit einzig daran interessiert, ob der Sozialist François Hollande französischer Präsident wird. Das böse Wort vom „Politkommissar“ geht um.

Und so ist Faymann in Brüssel meist isoliert. Zu Sarkozy und Cameron hat er faktisch keinen Kontakt. Am meisten redet der Kanzler mit Merkel – vor allem, weil das auf Deutsch geht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2011)

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