Ärztekammern: Dorner geht, Druck auf ELGA bleibt

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Walter Dorner zieht sich als Bundes- und Wiener Chef zurück. Nachfolger soll Johannes Steinhart werden. Ein „Hardliner“ gegen Minister Alois Stöger.

Wien. Die Erleichterung bei Gesundheitsminister Alois Stöger hält sich dem Vernehmen nach in engen Grenzen: Kommt es nach der Wiener und der Bundesärztekammerwahl im Frühjahr so, wie die bisherigen Spitzen sich das wünschen, dann hat der SPÖ-Minister auch künftig einen „Hardliner“ an der Spitze der Ärzteschaft als Gegenüber – zum Beispiel bei den Verhandlungen über die Elektronische Gesundheitsakte ELGA.

Zwar wird ein heftiger Kritiker der ELGA, der bisherige Bundes- und Wiener Kammerchef Walter Dorner, nicht mehr für die beiden Ämter kandidieren; der bald 70-Jährige will sich „aus familiären, gesundheitlichen und Ehrlichkeitsgründen“ in die zweite Reihe zurückziehen, wie er der „Presse“ am Donnerstag sagte. Er wolle leiser treten, auch wegen seines schweren Wirbelsäulenleidens, und er wolle daher seinen Wählern und Sympathisanten nicht vormachen, dass er noch eine zweite volle Amtszeit von fünf Jahren an der Spitze der Kammern bewältigen könne. Vielmehr sei es dort Zeit für eine Staffelübergabe. Und geht es nach Dorner, dann heißt sein Nachfolger Johannes Steinhart – in einem ersten Schritt als Chef der Wiener Ärztekammer, an der Steinhart zurzeit Vizepräsident hinter Dorner ist.

Gewählt wird der neue Präsident am 24. März, wahlberechtigt sind alle 11.300 Ärztinnen und Ärzte in Wien. Bis zum 7. Mai müssen dann einzelne Fraktionen – Steinhart will für die (ÖVP-nahe) „Vereinigung Österreichischer Ärzte“ kandidieren – eine Koalition bilden. Gelingt das, fällt bei der Vollversammlung der Wiener Ärztekammer auch die Entscheidung für den neuen Kammerpräsidenten. Die Chancen für Steinhart als Vertreter der aktuell mandatsstärksten Fraktion gelten schon heute als gut.

Wahl zum Bundesärztechef am 22. Juni?

Der logische zweite Schritt wäre Kennern zufolge, dass Steinhart auch am 22. Juni beim Kammertag der Österreichischen Ärztekammer um den Job des Bundeskammerchefs kämpft: Mehrere siegreiche Kandidaten aus den neun Landeskammerwahlen im Frühjahr könnten dabei ins Rennen gehen; außer Steinhart werden auch Artur Wechselberger (Tirol) und Peter Niedermoser (Oberösterreich) gute Chancen eingerechnet.

Allerdings, so heißt es, habe es sich schon in der Vergangenheit öfters bewährt, wenn der mächtige Wiener Kammerpräsident gleichzeitig Bundeschef ist: Als solcher hätte er ein besonderes Gewicht gegenüber den zentralen Verhandlungspartnern, darunter der Gesundheitsminister und weitere Minister, Vertreter der Länder, des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger und andere. Auch der Allgemeinmediziner Dorner war – unter anderem – wegen seiner Stärke in Wien, wo er die Kammer inzwischen seit 13 Jahren leitet, bei der Wahl 2007 auf den vorhergehenden Chef der Bundesärztekammer, Reiner Brettenthaler aus Salzburg, gefolgt.

Kommt der 57-jährige Steinhart, ein Urologe, auch als Bundeskammer-Chef für 40.100 Ärztinnen und Ärzte, wäre dies zwar ein Generationenwechsel, nicht aber notgedrungen ein Wechsel der Linie an der Spitze der Standesvertretung. Denn Steinhart gilt, wie Dorner, als „Hardliner“ in gesundheitspolitischen Fragen – mit teils noch schärferen Ansagen gegen Minister Stöger und Co. So äußerte er sich zuletzt, als Vizepräsident der Wiener Kammer, besonders heftig gegen das Prestigeprojekt Stögers, die Elektronische Gesundheitsakte: Es fehle eine „handfeste“ Kosten-Nutzen-Rechnung zum Vorhaben, sagte Steinhart zur „Presse“ – er geht von zwei Mrd. Euro Kosten in zehn Jahren aus.

Steinhart: Ärzte „wirklich ernst nehmen“

Außerdem seien „juristisch noch sechzig Punkte offen“ – etwa, was den Datenschutz bei ELGA betrifft: Immerhin sollen mit der Gesundheitsakte sämtliche Ärzte und Apotheker über eine Datenbank Einblick in alle Medikamente und Behandlungen eines Patienten bekommen, sofern sich dieser nicht von sich aus von ELGA abgemeldet hat. Steinhart mahnt Stöger, endlich die Standpunkte der Ärzte „wirklich ernst zu nehmen“. Projekte, die er selbst – im Fall seiner Wahl an die Spitze der Kammern – besonders forcieren würde, seien eine Bürokratiereform, die den Ärzten wieder mehr Zeit beim Patienten bringen würde, ein „Gesundheits-Check“ für alle Gesetzesnovellen, flexiblere Arbeitszeitmodelle für ältere Ärzte oder junge Ärztinnen mit Kindern, eine bessere Ausbildung für Allgemeinmediziner in Lehrpraxen. Von einer sicheren Wahl zur Nummer eins der Wiener und der Bundeskammer will Steinhart aber „keinesfalls“ sprechen: „Dazu bin ich viel zu vorsichtig.“

Dorner wird in beiden Ämtern noch bis 7. Mai (Wien) bzw. 22. Juni (Bundeskammer) verbleiben. Danach will er sein Know-how für Kammerprojekte von der Ärzteausbildung nach der Promotion bis zum Bürokratieabbau zur Verfügung stellen.

Auf einen Blick

Am 24. März wählen die Wiener Ärzte ihren Kammerpräsidenten. Als Nachfolger von Walter Dorner wird dann der bisherige Vizepräsident, Johannes Steinhart, antreten. Setzt er sich durch, gilt auch seine Kandidatur bei der Wahl des Bundeskammerchefs am 22. Juni als sicher. Mit Steinhart hätte Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) nach Dorner einen weiteren harten Verhandler in beiden Ämtern als Gegenüber – etwa in Sachen Elektronische Gesundheitsakte ELGA.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2012)

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