Faymann beschloss im Juni 2011 ein Sparprogramm – und ignorierte es sofort

Faymann beschloss Juni 2011
Faymann beschloss Juni 2011Reuters (Prammer)
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Brüsseler EU-Gipfel. Schon vor mehr als einem halben Jahr verpflichtete sich der Bundeskanzler zur Budgetsanierung, Abschaffung der Frühpension und Vorsorge für neue Bankenprobleme.

Brüssel. Am 24. Juni 2011 war die Welt für den Bundeskanzler noch ziemlich in Ordnung: Österreich hatte noch sein AAA-Kreditrating. Die heimischen Banken konnten ihre Probleme in Osteuropa noch widerspruchslos kleinreden. Und auf dem Brüsseler Gipfeltreffen, das soeben zu Ende gegangen war, hatte Werner Faymann stellvertretend für die Republik ein dickes Lob erhalten: Beschäftigungsquote, Forschungsquote, Wettbewerbsfähigkeit – überall liege Österreich in der Spitzengruppe.

„Das darf ich mit einigem Stolz sagen“, freute sich Faymann bei einer Pressekonferenz. „Es gibt auch niemanden, der Österreich in irgendeiner Gefahr sieht – ganz im Gegenteil: Wir haben etwa bei der Frage der Wettbewerbsfähigkeit eine Grafik bekommen, die das sehr eindringlich zeigt, dass zwei Länder für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit an der Spitze liegen: Deutschland und Österreich.“

Des Kanzlers Hoffnung auf mehr Wachstum

Kein Wort hingegen wollte Faymann über etwas anderes verlieren: Auf demselben Gipfel hatte er in seiner Rolle als Österreichs Vertreter im Europäischen Rat mitbeschlossen, dass die Republik ihre Neuverschuldung mehr als doppelt so stark wie bisher zu senken hätte: statt um jährlich im Durchschnitt 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, wie es die Bundesregierung nach Brüssel gemeldet hatte, solle Österreich in den Jahren 2011 bis 2013 sein Budget um mindestens 0,75 Prozent des BIPs konsolidieren.
Weiters solle die Frühpensionierung raschestmöglich abgeschafft werden. Und zu allem Überdruss sei die – zumindest damals noch – vergleichsweise günstige Prognose für die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs „aufgrund der zunehmenden Verschuldung staatseigener Unternehmen, die nicht zum Staatssektor gehören, und potenzieller weiterer Belastungen durch Maßnahmen zur Stützung des Bankensektors mit einigen Risiken verbunden“: So steht es wörtlich in einem Bericht der EU-Kommission, den Faymann und seine Amtskollegen ohne Widerspruch annahmen.

Schwarz auf weiß verpflichtet sich bei diesem Europäischen Rat vom 23. und 24. Juni 2011 Werner Faymann selbst dazu, das Budget schneller zu sanieren, die Frühpensionierung zu erschweren und Vorsorge für drohende weitere Bankenhilfspakete zu treffen. Auf die Frage der „Presse“, wie er dieses Sparpaket nun in die Tat umzusetzen gedenke, sagte Faymann damals wörtlich: „Ich gehe davon aus, dass wir durch ein starkes Wirtschaftswachstum besser abschneiden als viele andere Länder und hier zum Spitzenfeld gehören werden. Daher ist es eine Frage, wie man eine Empfehlung auslegt. Wir legen sie so aus, dass ein stärkeres Wachstum zu mehr Einnahmen führt.“

Das zweite Europäische Semester beginnt

Diese Hoffnung erweist sich heute als Wunschdenken. Gleichzeitig zeigt sich, wie das erste „Europäische Semester“ dazu beigetragen hat, die Regierungen zu öffentlicher Rechenschaft über ihre Haushaltsführung zu zwingen. Diese Übung sieht eine koordinierte Vorlage der europäischen Debatte über die Budgetentwürfe vor, einschließlich konkreter Empfehlungen der Kommission. Und das zweite Semester läuft bereits: Auf dem EU-Gipfeltreffen am 1. und 2. März wird sich der Kanzler wieder mit lästigen Fragen zu seinen Sanierungszusagen auf EU-Ebene herumschlagen müssen.

("Die Presse" Printausgabe vom 11.2.2012)

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